Die Sprachakrobaten
Wenn junge Menschen hinter Stacheldraht eingesperrt werden, entspricht das für den niederösterreichischen Integrationslandesrat einem „geordneten Miteinander“. Gottfried Waldhäusl (FPÖ) geht noch einen Schritt weiter: Das umstrittene Asylquartier in Drasenhofen diene „dem Schutz der untergebrachten Jugendlichen“.
Zuhörer reiben sich Augen und Ohren. Wie war das jetzt gemeint? Eigentlich müsste doch ein Miteinander auch durch ein Zusammensein entstehen und nicht durch eine mit Zäunen gesicherte Abtrennung. Und wer muss jetzt vor wem geschützt werden? Wer ist Opfer, wer ist Täter? Glücklicherweise entlarvt sich Waldhäusl ein paar Sätze weiter dann selbst. Es handle sich bei den Jugendlichen um „notorische Unruhestifter“. Die Welt der FPÖ steht doch nicht kopf. Die zu Beginn gewählte Sprachakrobatik hielt nicht bis zum Schluss. Am Ende siegte das Ressentiment des Bauches und der pauschalen Vorurteile. Ein anderer Schatz aus der rhetorischen Trickkiste der FPÖ: „Lehre darf nicht Asylrecht brechen.“Plötzlich bedeutet Asylrecht nicht mehr das Recht auf Schutz für verfolgte Menschen, sondern ermächtigt den Staat, selbst gut integrierte Lehrlinge abzuschieben. Tatsächlich eine verkehrte Welt.
Den Höhepunkt sprachlicher Umdeutung liefert aber seit Jahren der ungarische Ministerpräsident mit seiner „illiberalen Demokratie“. Genauso gut könnte Viktor Orbán über eine quicklebendige Leiche oder eine putzmuntere Schlafende phantasieren. Denn eine „illiberale Demokratie“gibt es nicht. Freiheits- und Grundrechte sind unverzichtbare Bestandteile einer Demokratie. Jede Einschränkung bedeutet den Übergang in ein autoritäres System. och viele sind Orbán schon auf den Leim gegangen. Das neu geschaffene Begriffspaar findet sich plötzlich in Texten, Gesprächen oder Interviews. Schon bald gewöhnen wir uns an die Vorstellung einer Demokratie ohne Meinungsfreiheit, Pressefreiheit oder mit eingeschränkten Menschenrechten. Orbán und seine Freunde reiben sich grinsend die Hände.
Bald gewöhnen wir uns an die Vorstellung einer Demokratie ohne Meinungsfreiheit oder mit eingeschränkten Menschenrechten.
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