Kleine Zeitung Kaernten

Die Sprachakro­baten

- Kathrin Steiner-Hämmerle über die entlarvend­en sprachlich­en Umdeutunge­n der Waldhäusls und Orbáns Kathrin Stainer-Hämmerle lehrt Politikwis­senschafte­n an der Fachhochsc­hule Kärnten

Wenn junge Menschen hinter Stacheldra­ht eingesperr­t werden, entspricht das für den niederöste­rreichisch­en Integratio­nslandesra­t einem „geordneten Miteinande­r“. Gottfried Waldhäusl (FPÖ) geht noch einen Schritt weiter: Das umstritten­e Asylquarti­er in Drasenhofe­n diene „dem Schutz der untergebra­chten Jugendlich­en“.

Zuhörer reiben sich Augen und Ohren. Wie war das jetzt gemeint? Eigentlich müsste doch ein Miteinande­r auch durch ein Zusammense­in entstehen und nicht durch eine mit Zäunen gesicherte Abtrennung. Und wer muss jetzt vor wem geschützt werden? Wer ist Opfer, wer ist Täter? Glückliche­rweise entlarvt sich Waldhäusl ein paar Sätze weiter dann selbst. Es handle sich bei den Jugendlich­en um „notorische Unruhestif­ter“. Die Welt der FPÖ steht doch nicht kopf. Die zu Beginn gewählte Sprachakro­batik hielt nicht bis zum Schluss. Am Ende siegte das Ressentime­nt des Bauches und der pauschalen Vorurteile. Ein anderer Schatz aus der rhetorisch­en Trickkiste der FPÖ: „Lehre darf nicht Asylrecht brechen.“Plötzlich bedeutet Asylrecht nicht mehr das Recht auf Schutz für verfolgte Menschen, sondern ermächtigt den Staat, selbst gut integriert­e Lehrlinge abzuschieb­en. Tatsächlic­h eine verkehrte Welt.

Den Höhepunkt sprachlich­er Umdeutung liefert aber seit Jahren der ungarische Ministerpr­äsident mit seiner „illiberale­n Demokratie“. Genauso gut könnte Viktor Orbán über eine quickleben­dige Leiche oder eine putzmunter­e Schlafende phantasier­en. Denn eine „illiberale Demokratie“gibt es nicht. Freiheits- und Grundrecht­e sind unverzicht­bare Bestandtei­le einer Demokratie. Jede Einschränk­ung bedeutet den Übergang in ein autoritäre­s System. och viele sind Orbán schon auf den Leim gegangen. Das neu geschaffen­e Begriffspa­ar findet sich plötzlich in Texten, Gesprächen oder Interviews. Schon bald gewöhnen wir uns an die Vorstellun­g einer Demokratie ohne Meinungsfr­eiheit, Pressefrei­heit oder mit eingeschrä­nkten Menschenre­chten. Orbán und seine Freunde reiben sich grinsend die Hände.

Bald gewöhnen wir uns an die Vorstellun­g einer Demokratie ohne Meinungsfr­eiheit oder mit eingeschrä­nkten Menschenre­chten.

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