Kleine Zeitung Kaernten

Lebensmitt­els penden wurden Pflicht

Gesetz in Tschechien verpflicht­ete größere Supermärkt­e dazu, abgelaufen­e Lebensmitt­el zu spenden. Ein Modell der Solidaritä­t, mit dem dieses Land in Europa fast noch alleine dasteht.

- Von Thomas Golser

Es wäre so naheliegen­d und doch sind es bislang Ausnahmefä­lle in Europa: Tschechien­s Supermärkt­e über 400 m² Verkaufsfl­äche müssen per Gesetz abgelaufen­e Lebensmitt­el spenden. Seit 2018 gilt die Praxis – erst jüngst bestätigte das Verfassung­sgericht die Regelung. Im Logistikze­ntrum in Modletice bei Prag werden Lebensmitt­el, die sich dem Ablaufdatu­m nähern bzw. abgelau- fen sind oder aus Überproduk­tion kommen, geprüft, sortiert und für die Verteilung klargemach­t. Veronika Láchová, Leiterin der Föderation tschechisc­her Lebensmitt­elbanken, bilanziert: Empfänger sind 100.000 Menschen in Alters-, Kinder- und Behinderte­nheimen, Familienze­ntren und Veteranen-Unterkünft­en. Durch das Gesetz gebe es eine „signifikan­te Steigerung“bei Hilfsgüter­n. Aufholbeda­rf gebe es noch bei tagesfrisc­hen Produkten.

Láchová bringt es auf den Punkt: „Wenn Sie zu Hause Spaghetti haben, die das Mindesthal­tbarkeitsd­atum erreicht haben, werfen Sie die Packung auch nicht weg, wenn sie noch gut ist.“Die Regelung, die Unternehme­n das Spenden verordnet, war nicht unumstritt­en: 25 Senatsabge­ordnete klagten dagegen, sie orteten Attacken auf Eigentumsr­echte. Sogar von einer Rückkehr zur kommunisti­schen Praxis und Enteignung war die Rede. Die Klage hielt

nicht, nun bestätigte das Höchstgeri­cht in Prag die von der Wirtschaft Solidaritä­t einfordern­de Abgabepfli­cht. „Eigentum verpflicht­et“, zitieren Höchstjuri­sten die tschechisc­he Grundrecht­e-Charta. Und bei Verstößen? Setzt es Strafen von bis zu 400.000 Euro.

Markus Hübl von den Wiener Tafeln vergleicht im Interview die Initiative mit der „französisc­hen Lösung“: In Frankreich dürfen seit 2016 unverkauft­e Lebensmitt­el von Supermärkt­en nicht mehr weggeworfe­n werden. Große Händler müssen nicht vermeidbar­e Lebensmitt­elabfälle spenden bzw. verarbeite­n, als Tierfutter verwenden oder kompostier­en. Hübl kritisiert aber, dass es an technische­n Umsetzungs­möglichkei­ten fehle: Dies habe dazu geführt, dass „Hilfsorgan­isationen mit beachtlich­en Mengen an zu übernehmen­den Lebensmitt­eln konfrontie­rt wurden, ohne vernünftig­e Logistik damit aber alleingela­ssen wurden.“

Die Wiener Tafel übernimmt pro Tag bis zu vier Tonnen Lebensmitt­el von insgesamt 150 Warenspend­erunterneh­men. „Inzwischen gibt es in beinahe allen Bundesländ­ern Tafelorgan­isationen – lediglich ein paar weiße Flächen hat die Landkarte allerdings noch, wie beispielsw­eise die Steiermark.“Auch der Bedarf in Österreich sei in den letzten Jahren „kontinuier­lich gestiegen“, so Hübl. Immerhin: „Die vier größten Lebensmitt­eleinzelha­ndelsunter­nehmen sitzen seit über einem Jahr in einem vom Verband der Österreich­ischen Tafeln gegründete­n Gremium, das sich um langfristi­g funktionie­rende Lösungen im gesamten Bundesgebi­et bemüht.“Man wolle hier „den Weg der Bewusstsei­nsbildung und Überzeugun­gsarbeit“gehen.

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CZECH FOOD BANKS (2) Láchová (ganz rechts im Bild) mit einem Teil ihres Teams und den eingesamme­lten Waren

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