Lebensmittels penden wurden Pflicht
Gesetz in Tschechien verpflichtete größere Supermärkte dazu, abgelaufene Lebensmittel zu spenden. Ein Modell der Solidarität, mit dem dieses Land in Europa fast noch alleine dasteht.
Es wäre so naheliegend und doch sind es bislang Ausnahmefälle in Europa: Tschechiens Supermärkte über 400 m² Verkaufsfläche müssen per Gesetz abgelaufene Lebensmittel spenden. Seit 2018 gilt die Praxis – erst jüngst bestätigte das Verfassungsgericht die Regelung. Im Logistikzentrum in Modletice bei Prag werden Lebensmittel, die sich dem Ablaufdatum nähern bzw. abgelau- fen sind oder aus Überproduktion kommen, geprüft, sortiert und für die Verteilung klargemacht. Veronika Láchová, Leiterin der Föderation tschechischer Lebensmittelbanken, bilanziert: Empfänger sind 100.000 Menschen in Alters-, Kinder- und Behindertenheimen, Familienzentren und Veteranen-Unterkünften. Durch das Gesetz gebe es eine „signifikante Steigerung“bei Hilfsgütern. Aufholbedarf gebe es noch bei tagesfrischen Produkten.
Láchová bringt es auf den Punkt: „Wenn Sie zu Hause Spaghetti haben, die das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben, werfen Sie die Packung auch nicht weg, wenn sie noch gut ist.“Die Regelung, die Unternehmen das Spenden verordnet, war nicht unumstritten: 25 Senatsabgeordnete klagten dagegen, sie orteten Attacken auf Eigentumsrechte. Sogar von einer Rückkehr zur kommunistischen Praxis und Enteignung war die Rede. Die Klage hielt
nicht, nun bestätigte das Höchstgericht in Prag die von der Wirtschaft Solidarität einfordernde Abgabepflicht. „Eigentum verpflichtet“, zitieren Höchstjuristen die tschechische Grundrechte-Charta. Und bei Verstößen? Setzt es Strafen von bis zu 400.000 Euro.
Markus Hübl von den Wiener Tafeln vergleicht im Interview die Initiative mit der „französischen Lösung“: In Frankreich dürfen seit 2016 unverkaufte Lebensmittel von Supermärkten nicht mehr weggeworfen werden. Große Händler müssen nicht vermeidbare Lebensmittelabfälle spenden bzw. verarbeiten, als Tierfutter verwenden oder kompostieren. Hübl kritisiert aber, dass es an technischen Umsetzungsmöglichkeiten fehle: Dies habe dazu geführt, dass „Hilfsorganisationen mit beachtlichen Mengen an zu übernehmenden Lebensmitteln konfrontiert wurden, ohne vernünftige Logistik damit aber alleingelassen wurden.“
Die Wiener Tafel übernimmt pro Tag bis zu vier Tonnen Lebensmittel von insgesamt 150 Warenspenderunternehmen. „Inzwischen gibt es in beinahe allen Bundesländern Tafelorganisationen – lediglich ein paar weiße Flächen hat die Landkarte allerdings noch, wie beispielsweise die Steiermark.“Auch der Bedarf in Österreich sei in den letzten Jahren „kontinuierlich gestiegen“, so Hübl. Immerhin: „Die vier größten Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen sitzen seit über einem Jahr in einem vom Verband der Österreichischen Tafeln gegründeten Gremium, das sich um langfristig funktionierende Lösungen im gesamten Bundesgebiet bemüht.“Man wolle hier „den Weg der Bewusstseinsbildung und Überzeugungsarbeit“gehen.