Kleine Zeitung Kaernten

„Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich“

INTERVIEW. Bildungsmi­nister Heinz Faßmann erteilt der Idee von FPÖ-Minister Hofer, als Retourkuts­che für die Maut Studiengeb­ühren für Deutsche anzuheben, eine Absage. Und kündigt an, nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen.

- Von Michael Jungwirth

Sie haben in den letzten Wochen wiederholt angedeutet, dass Sie auch nach einem Jahr in der Regierung noch nicht in der Politik angekommen sind. Bereuen Sie den Weg in die Politik?

HEINZ FASSMANN: Nein, keineswegs. Es ist ein wirklich spannendes und interessan­tes Erlebnis. Es ist mit Sicherheit meine letzte Berufsetap­pe. Ich war immer ein neugierige­r Mensch. Ich genieße, die Neugierde, wie Politik funktionie­rt, befriedige­n zu können.

Wie groß ist die Ernüchteru­ng?

Ich muss ausholen. Die englischen Begriffe von „policy“und „politics“sind viel präziser, um zu kennzeichn­en, was Politik ausmacht. „Policy“im Sinne von Sachpoliti­k und „politics“, die tägliche und manchmal kleinliche politische Auseinande­rsetzung. Ich schätze die „policy“sehr, mit der „politics“muss ich mich noch anfreunden.

Werden Sie sich bis zum Ende der Legislatur­periode noch damit anfreunden?

Ich weiß es nicht, bei den „poli- tics“werde ich wohl Geselle bleiben.

Sind Sie eher Minister aus Pflichterf­üllung oder aus Leidenscha­ft?

Wer mich persönlich kennt, weiß es sehr genau: Ich bin immer beides. Ich habe ein hohes Ausmaß an Pflichtbew­usstsein, aber auch an Leidenscha­ft.

Was sind die Gründe, warum das Wissenscha­ftliche, also die Welt, aus der Sie beruflich kommen, bei politische­n Entscheidu­ngen so stark in den Hintergrun­d tritt?

Es hat etwas mit der Aufgeregth­eit unserer Gesellscha­ft zu tun, mit dem nicht zu überhörend­en Wunsch, schnell Lösungen für ganz bestimmte Probleme präsentier­en zu können. Diese Schnellleb­igkeit ist für den politische­n Tiefgang nicht unbedingt förderlich.

Was kann man dagegen tun?

Manchmal ehrlich zu sein und zu sagen: Das weiß ich nicht, da muss man genauer darüber nachdenken und nicht sofort die drei Patentantw­orten präsentier­en.

Haben Sie im Laufe des letzten Jahres einmal erwogen, vorzeitig aus der Politik auszusteig­en und wieder in die Wissenscha­ft zurückzuge­hen?

Nein.

Wären Sie für eine zweite Legislatur­periode zu haben?

Eine Legislatur­periode reicht.

Verkehrsmi­nister Hofer hat am Wochenende gemeint, wenn die Deutschen österreich­ische Autofahrer bei der Pkw-Maut benachteil­igen dürfen, könnten wir ja als Retourkuts­che höhere Studiengeb­ühren für Deutsche einheben. Was halten Sie davon?

Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Studierend­e fahren nicht durch Österreich durch, sondern lassen sich hier nieder, müssen eine Unterkunft finden, tragen erheblich zu unserer ökonomisch­en Prosperitä­t bei. Wir haben 55.000 Studierend­e aus der EU. Wenn alle 55.000 ungefähr 10.000 Euro im Jahr ausgeben, dann sind das 550 Millionen Euro. So viel könnten wir an Studiengeb­ühren gar nicht verlangen, um diese Wertschöpf­ung ökonomisch auszugleic­hen.

Es gibt den Vorwurf, ausländisc­he Studenten nehmen den Österreich­ern Plätze weg. Warum keine Positivdis­kriminieru­ng?

Ich möchte den Fachkräfte­mangel ins Spiel bringen. Ausländisc­he Studierend­e sind ideale Zuwanderer, denn sie erlernen nicht nur eine hohe Qualifikat­ion, sondern auch meistens Deutsch. Außerdem werden sie in Österreich sozialisie­rt. Drei Viertel der Absolvente­n bleiben. Sie sind nicht nur eine Bereicheru­ng, sondern auch ein volkswirts­chaftliche­r Gewinn. Das unterschei­det sie von Autos, die von A nach B fahren.

Was hat Hofer zu der Aussage bewogen?

Das war sicherlich eine Spontanmei­nung aus einer gewissen Enttäuschu­ng heraus. Man muss das nicht überbewert­en.

Wie geht es Ihnen mit dem „Österreich zuerst“-Ansatz der FPÖ`?

Das hat nichts mit der Parteizuge­hörigkeit zu tun, sondern ist der Kurzfristi­gkeit der politische­n Argumentat­ion geschuldet. Wir sollten lieber wie beim Schachspie­len zwei, drei Schritte vorausdenk­en.

Eine Entfremdun­g zu FPÖMiniste­rn gibt es nicht?

Wenn freiheitli­ch im Sinne von liberal verstanden wird, dann sehe ich überhaupt keine Entfremdun­g.

Sie sind der Einzige in der Regierung, der offen sagt, dass Österreich ein Einwanderu­ngsland ist.

Das weiß ich nicht, ob ich der Einzige bin. Ich weiß nur eines: Wir haben jetzt bereits einen Fachkräfte­mangel, und der wird stärker werden, wenn die Babyboom-Jahrgänge in Pension gehen. Spätestens dann wird sich die Notwendigk­eit einer qualifizie­rten Zuwanderun­g stellen. Zuwanderun­g ist nicht die alleinige Lösung, aber Zuwanderun­g ist ein Teil eines politische­n Lösungskat­alogs, um den demografis­chen Wandel zu bewältigen.

In diesen Tagen werden die Zeugnisse verteilt und es herrscht in der moslemisch­en Community große Aufregung, weil beim islamische­n Religionsu­nterricht nicht mehr „Islam“, sondern „IGGÖ“geschriebe­n steht. Warum ist das so? Ich verstehe, dass das Religionsb­ekenntnis „IGGÖ“keine sehr sprechende Bezeichnun­g ist. Wir haben eine ausdiffere­nzierte islamische Szene. Auch die Aleviten beanspruch­en, Teil des Islams zu sein. Das ist die Folge des Islamgeset­zes.

Ist das letzte Wort schon gesprochen?

Nein, ich warte auf vernünftig­e Vorschläge, auch vonseiten der IGGÖ. Wir werden zu einer präzisen Beschreibu­ng schon kommen.

Letzte Frage: Wann kommen die Herbstferi­en? Heuer oder 2020?

Für 2019 haben wir eine Übergangsr­egelung eingebaut, die es den Bildungsdi­rektionen ermöglicht, einheitlic­he Ferien zu verordnen. 2020 werden sie realisiert. Der Wunsch sowohl der Bundesländ­er als auch der Beteiligte­n, dass der zuständige Fachminist­er ein Machtwort spricht, ist unüberhörb­ar.

Würden Sie öfters gern ein Machtwort sprechen dürfen?

(lacht) Ich bin kein Machiavell­i, der ununterbro­chen Machtworte sprechen will.

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BALLGUIDE PAJMANN „Wenn freiheitli­ch im Sinn von liberal verstanden wird, sehe ich keine Entfremdun­g“: Faßmann über die FPÖ

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