Er hat stets ein passendes Rezept
Oswald Blassnig aus Lienz wollte seine Kochkünste verfeinern und absolvierte mit 70 Jahren die Kochlehre.
Seit 2008 ist Oswald Blassnig in Pension. Doch an Ruhestand denkt der ehemalige Lienzer Lehrer und Schuldirektor noch lange nicht. Ganz im Gegenteil. Seit zehn Jahren bekocht er nun schon mittags vier Pater und einen Bruder im Franziskanerkloster in Lienz. Und zwar sechs Mal die Woche – auch an Sonn- und Feiertagen. Nur mittwochs hat Blassnig frei.
„Kochen ist meine Leidenschaft“, sagt Klosterkoch Ossi, wie er auch genannt wird. Um seine Kochkünste zu verfeinern, besuchte er schon einige Kochkurse. „Und trotzdem war ich irgendwie unzufrieden mit mir und wollte wissen: Wie macht man es richtig?“, sagt er. Auch wenn er mit 70 Jahren dem Jugendalter doch schon ein paar Jahre entwachsen ist, entschied sich Blassnig, die Lehre als Koch im zweiten Bildungsweg zu absolvieren. Ein Wifi-Kurs in Innsbruck machte es schließlich möglich.
Von Oktober 2018 bis diesen Jänner hieß es für den 70-Jährigen wieder Schultasche packen und ab in den Unterricht. Drei Wochen Theorie und drei Wochen Praxis standen auf dem Stundenplan. Vor allem beim theoretischen Unterricht ist Blassnig an seine Grenzen gestoßen. „Am meisten gefürchtet habe ich das Fach Rechnen und Kalkulation, da ich nie ein Mathematiker war“, sagt er.
B ereut hat er den Schritt, eine Kochlehre begonnen zu haben, trotzdem nicht. „Ich hatte einen exzellenten Lehrer und habe wahnsinnig viel gelernt.“Wie beispielsweise, dass Honig in der Küche eine wichtige Rolle spielt. Nichts- destotrotz „war es kein Honigschlecken“, sagt Blassnig.
„Mein Schöpfer hat mich schon mit einer gehörigen Portion Fantasie versorgt. Diese braucht auch immer Mut. Und in der Küche kommen mir diese zwei Eigenschaften sehr gelegen“, sagt der Küchenchef. Nicht ohne Grund wird er von den Franziskanerbrüdern auch Suppenmeister genannt. Denn er experimentiert gerne in der Küche. „Die Brüder sind zum Glück nicht heikel“, scherzt Blassnig.
M it derselben Hingabe, mit der er den Kochlöffel schwingt, spielt Ossi auch die Kirchenorgel. Jeden Sonntag füllt er das Franziskanerkloster mit königlichen Klängen. Zudem begleitet Blassnig, der auch Schriftsteller und Maler ist, einen Chor am Keyboard – ein Multitalent sozusagen.
„Als Lehrer oder Direktor habe ich immer funktioniert. Jetzt ist es Zeit, zu leben und der zu sein, der man ist. Das ist ein großes Gefühl der Freiheit“, sagt Blassnig. Auch der deutsche Komponist Richard Wagner sagte einst schon: „Das Leben beginnt erst mit 70, dann erst wird es wirklich schön.“