Kleine Zeitung Kaernten

Mit 70 Jahren noch immer als Ultraläufe­r unterwegs

Josef Kladensky ist 70 und Ultraläufe­r: Er ist schon viel weiter als einmal um die Welt gelaufen und sagt: „Der Mensch ist ein Lauftier.“

- Von Christof Domenig

Es könnte damit zu tun haben, dass Josef Kladensky am Vortag seine Autobiogra­fie an den Verlag abgeschick­t hat, dass er so gut gelaunt zum Treffen erscheint. Oder damit, dass er eine Frohnatur ist. Dass der Niederöste­rreicher nicht nur extrem ausdauernd laufen, sondern ebenso schreiben kann, beweisen die 900 Seiten, die sein Werk in der Rohfassung hatte.

Im Mai 2018 feierte „Seppi“Kladensky seinen 70. Geburtstag. Zum Runden beschenkte er sich mit dem „Mozart 100“, für die 103 Kilometer und 4600 Höhenmeter benötigte er 19:20:42 Stunden. Wie er beiläufig erzählt, rannte er zehn Tage vor dem Salzburger Ultralauf einen „stressfrei­en Hunderter“als Vorbereitu­ng – wie unsereins von einer 12-Kilometer-Lauf- runde spricht. 2018 war überhaupt ein gutes Jahr für Kladensky, mit 17 Läufen ab der Marathondi­stanz (im Schnitt 61 Kilometer), drei jenseits der 100 Kilometer und seiner fünftbeste­n Jahreskilo­meterleist­ung, seit er 1981 mit dem Laufen begonnen hat. 1981 war Josef Kladensky 33 Jahre alt und weil es gerade zur Mode wurde, lief er mit Freunden in der Prater Hauptallee.

1985 war der erste Marathon an der Reihe. 1997 der erste Ultralauf, 90 Kilometer beim Comrades Marathon in Südafrika. Erst da merkte der damals 49Jährige, wo sein wahres läuferisch­es Talent liegt: immer weiter, statt „bloß“schneller zu laufen. Mit Stand Jänner 2019 absolviert­e der Perchtolds­dorfer 93 Ultraläufe und 85 Marathons. Kaum ein bekannter Ultralauf, den er nicht schon hinter sich hat: Spartathlo­n, Badwater Ul- Grand Raid auf Réunion, Ultra Trail du Mont Blanc, Marathon des Sables und wie sie alle heißen. Alles penibel dokumentie­rt. „Ich bin ein Pedant“, sagt er mit einem typischen Anflug von Selbstiron­ie – der Ausdruck „Zahlenlieb­haber“trifft aber sicher zu: Seine „Prahlliste“umfasst jeden Lauf seit 1981, egal, ob in Wettbewerb­en oder nur für sich.

Damit lässt sich ausrechnen, dass er bisher 3087 Mal die Laufschuhe geschnürt und 54.214 Kilometer laufend zurückgele­gt hat (weit mehr als einmal um die Welt). Rund acht Monate seines Lebens ist er gelaufen, der Durchschni­ttslauf war um die 13 Kilometer lang. Mehr als ein Viertel seiner Laufkilome­ter hat er in Wettkämpfe­n zurückgele­gt. „Wir sind Lauftiere. Nicht schnelle, sondern ausdauernd­e.“Der Perchtolds­dorfer führt aus: „Der Mensch hat früher die Antilope ... Na ja, zwar nicht zu Tode gehetzt – aber zu Tode ‚nicht in Ruhe gelassen‘“. Als Tierliebha­ber (und deshalb Vegetarier) würde er zwar sicher niemals eine Antilope sekkieren – aber die alte, in den Genen steckende Lauflust ist in ihm erwacht, ist Kladensky sicher. Bei den meisten Menschen liege diese Lust brach, und irgendwann in der Menschheit­sgeschicht­e werde sie ganz verloren gehen, sintra,

Ich hasse Trainingsp­läne, weil sie Lauflust zu einem Zwangslauf machen.“

Wir Menschen

sind Lauftiere. Nicht schnelle,

sondern ausdauernd­e.“

er. Doch noch lasse sich die Lust aktivieren. Unter Lauf„Lust“fällt für ihn auch, dass er noch nie nach einem Plan trainiert hat. Wie weit er jeweils laufen wird, entscheide­t er meist beim Wegrennen. Außer am Dienstag, seinem wöchentlic­hen Fixtermin: Da läuft er, der auch ehrenamtli­ch beim Roten Kreuz mitarbeite­t oder sich in der Behinderte­nhilfe engagiert, als Begleitläu­fer von blinden und sehbehinde­rten Menschen. „So kann ich meinen Laufspleen auch sinnvoll sozial einsetzen.“

Obwohl er persönlich­e Bestzeiten auch noch nach dem 60. Geburtstag aufgestell­t hat, ist Josef Kladenskys Motto: nicht schneller, dafür möglichst weit laufen. Einer der längsten Nonstop-Läufe seines Lebens war der Spartathlo­n mit 245 hügeligen Kilometern – gleichzeit­ig der härteste, gemeinsam mit dem Badwater Ultra bei 55 Grad Hitze. Von 250 Startern geben beim Spartathlo­n in der Regel zwei Drittel auf – Kladensky überquerte nach 34:51 Stunden die Ziellinie. Das Überwinden von Tiefs sei auch eine der großen Herausford­erungen.

Eine schöne Analogie zum gesamten Leben, findet Kladensky. Einmal sei er gebeten worden, seine Freunde im Laufsport aufzuzähle­n. Auf 74 sei er gekommen. „Wenn du in diesen Rennen einen Fremden triffst, ist die Wahrschein­lichkeit groß, dass er zum Freund wird. Weil er erstens ähnlich tickt wie du und zweitens wie du in einer Ausnahmeni­ert situation steckt.“Die freundscha­ftliche Atmosphäre und die oft fast familiäre Szene sind es übrigens auch, die er an den österreich­ischen Ultraläufe­n und Bergmarath­ons so schätzt: Ötscher, Veitscher und Kainacher Berglauf hat er 2018 absolviert. „Dort drückt dir der Veranstalt­er persönlich die Hand.“Zum Thema familiär: Dass seine Christine seine Laufleiden­schaft nur bedingt teilt („sie läuft ihre Runde um den Häuserbloc­k“), findet er nicht weiter schlimm und es tut der Liebe keinen Abbruch: „Es gibt zwei Zugänge: ‚Gleich und gleich gesellt sich gern‘ oder ‚Gegensätze ziehen sich an‘. Bei uns trifft einfach das Zweite zu.“Der 70. Geburtstag war schon ein Einschnitt, sagt Josef Kladensky – das Gefühl: „Wahnsinn, jetzt bist du schon ein alter Mann.“Doch er nimmt auch das mit Humor: „In der M60-Klasse gibt es bei manchen meiner Rennen keine Starter. Dafür in der M70 einen.“Er fühlt sich „subjektiv“sehr gut und seine jüngsten Leistungen sind der Beweis, dass eine Zahl allein gar nichts aussagt.

So wie auch die 42,195 Kilometer keine Grenze markieren, hinter der das „Menschenun­mögliche“beginnt. „Hinter dem Marathon ist kein schwarzes Loch – aber es wird dich nicht mehr loslassen“, formuliert er seine Botschaft, die er in seinem Buch transporti­eren will. Er muss es wissen. Und wird hoffentlic­h noch viele Jahre lang beweisen dürfen, was jenseits der 42 Kilometer alles möglich ist.

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