Diplomatischer Slalom in 60 Minuten
US-Präsident Donald Trump empfängt morgen Bundeskanzler Kurz im Weißen Haus. In Washington droht ein Schneechaos.
Zwischen Europa und den USA herrscht Eiszeit. Donald Trumps Alleingänge im Handel (drohende Strafzölle), bei der Abrüstung (Aufkündigung des INF-Vertrags), der Ausstieg beim Iran-Abkommen und beim Klimaschutz sowie der jüngste Zwist um die IS-Kämpfer haben das transatlantische Klima dramatisch unter den Gefrierpunkt gedrückt. Am Mittwoch hat sich in Washington ein Schneechaos angekündigt.
Ausgerechnet in dieser Phase wird erstmals seit Wolfgang Schüssel vor 13 Jahren wieder ein Bundeskanzler im Weißen Haus empfangen. 60 Minuten sind für die Zusammenkunft zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und dem US-Präsidenten im Oval Office anberaumt. Zunächst bleiben Präsident und Kanzler unter sich, nach dem Vieraugengespräch stoßen die anderen Teilnehmer, darunter Botschafter Wolfgang
Waldner, Kabinettschef Bernhard Bonelli, die außenpolitische Beraterin Barbara Kaudel-Jensen, Kommunikationschef Gerald Fleischmann, dazu. Minister nimmt der Kanzler nicht nach Washington mit.
„Ein Meeting im Oval Office ist der schwierigste Termin der Welt“, erklärt US-Botschafter Trevor Traina, der den Termin im Westflügel des Weißen Hauses eingefädelt hat, im Gespräch. Der Selfmade-Millionär aus San Francisco kennt Präsidententochter
Ivanka Trump aus früheren Zeiten.
Ivanka und ihr Mann Jared Kushner haben den Kanzler sowie Traina und Waldner zu einem Abendessen bei sich zu Hause eingeladen. Schützenhilfe bei der Terminfindung erhielt die österreichische Delegation durch den umstrittenen US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, der den Kanzler im vergangenen Sommer in einem Interview in „Breitbart“, dem Zentralorgan der TrumpJünger, als „Rockstar“gehuldigt hatte. Melania Trump, die in früheren Zeiten in Wien gelebt hat, ist bei dem Treffen nicht dabei.
Mehr als das Herkunftsland des Gastes interessiere Trump der Umstand, dass da ein „junger, erfolgreicher, konservativer Regierungschef aus Europa“, so Waldner, zu Besuch kommt, der es auf die Titelblätter von „Newsweek“und „Time“geschafft hat. Das Treffen im Oval Office dürfte nicht konfliktfrei ablaufen. Österreichs Kuschelkurs mit Russland, der durch den Knicks von Außenministerin Karin Kneissl vor Wladimir Putin an der Steirischen Weinstraße symbolisiert wird, stößt in Washington auf Unverständnis. Auch der Einstieg der OMV bei Nord Stream 2 hat jenseits des Atlantiks Irritationen ausgelöst.
Umgekehrt ist dem Weißen Haus die Neupositionierung des Bundeskanzlers im Nahostkonflikt (vorbehaltlose Unterstützung Israels) nicht entgangen. Am meisten steht für Österreich im Handelsstreit auf dem Spiel. Sollte Trump Strafzölle gegen Autoimporte aus Europa verhängen, könnten die heimischen Autozulieferer schwer ins Trudeln geraten.