„WerdenjedeneinzelnenFall eines IS-Kämpfers prüfen“
Kanzler Kurz reagiert auf Trumps Forderung – es ist nicht das einzige heikle Thema im Weißen Haus am Mittwoch.
US-Präsident Trump hat die Europäer aufgefordert, ISKämpfer aus eigenen Ländern zurückzunehmen. Damit ist auch Österreich betroffen. Wie wird Ihre Regierung reagieren, schließlich geht der Verfassungsschutz von 30 Staatsbürgern in Syrien und im Irak aus?
SEBASTIAN KURZ: Wir werden mit den zuständigen Ressorts gemeinsam jeden Einzelfall prüfen. Die Linie der Regierung in dieser Frage ist klar. Ich sehe das wie Frankreich, Dänemark und die Briten: nämlich, dass der Schutz unserer eigenen Bevölkerung oberste Priorität hat, insbesondere vor Personen, die sich schwerer Straftaten schuldig gemacht haben. Die Prüfung der Fälle wird gemeinsam mit Sicherheitsbehörden vorgenommen, was in Krisengebieten nur eingeschränkt möglich ist.
Belastet solch eine Aussage Ihre US-Reise im Vorfeld?
Nein, die Aussage belastet weder die Reise noch sonst irgendetwas. Es gibt wesentlich herausfordernde Themen zwischen den USA und Europa. Dabei denke ich an die Aufkündigung des Klimaabkommens. Oder an den Protektionismus, der uns allen sehr große Sorgen bereitet, weil er die Wirtschaft sowohl in den USA als auch in Europa schwächen würde.
Kontrovers gesehen wird auch der INF-Vertrag zur Abrüstung. Österreich hat traditionell eine Vermittlerrolle bei Abaufzulösen, rüstungsgesprächen übernommen. Welche Position kann Wien aktuell einnehmen?
Es ist wichtig, dass sich gerade auch kleinere Staaten wie Österreich lautstark für internationale und insbesondere nukleare Abrüstung einsetzen. Ein ständiges Wettrüsten weltweit bringt nicht nur für aufrüstende Staaten extreme Gefahren, sondern auch für alle anderen mit sich. Als kleines, neutrales und exportorientiertes Land haben wir großes Interesse daran, dass die Spannungen zwischen den USA und Russland weniger werden. Ich hoffe sehr, dass es gelingt, den Vertrag noch zu retten. Sechs Monate sind ja noch Zeit.
Die deutsche Kanzlerin hat in München betont, dass es unklug wäre, das Wiener Atomabkommen mit dem Iran weil man damit den Gesprächsfaden verliert. Was werden Sie mit Trump da verhandeln können?
Wir haben zum Iran wie in vielen anderen Fragen auch zwei ganz unterschiedliche Positionen. Die Europäische Union und auch wir Österreicher unterstützen weiterhin den Iran-Atomdeal, solange sich der Iran daran hält. Wir glauben, dass dies noch immer die beste Möglichkeit ist, den Iran am Bau einer Atombombe zu hindern. Wir haben diesen Vertrag mit dem Iran ja aus gutem Grund abgeschlossen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass es hier in den USA kein Umdenken gibt.
Rechnen Sie damit, dass Trump Sie wegen der guten Beziehung zu Putin anspricht?
Österreich hat traditionell einen sehr guten Kontakt nach Russland. Ich habe im ersten Jahr meiner Regierungstätigkeit als Kanzler den russischen Präsidenten vier Mal getroffen. Was die USA betrifft, bekamen wir eher wenig Aufmerksamkeit aus Washington. Da die USA aber unser zweitwichtigster Wirtschaftspartner nach Deutschland sind, wäre ein genauso guter Kontakt wie nach Russland wünschenswert. Wir haben ein Interesse an guten Kontakten zu beiden Supermächten.