Kleine Zeitung Kaernten

Die Stunde null

Sexueller Missbrauch in der Kirche ist seit Jahrzehnte­n bekannt. Jetzt soll ein Vatikan-Gipfel für Klarheit sorgen.

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Es ist knapp 20 Jahre her, dass das Ausmaß sexuellen Missbrauch­s und seiner Vertuschun­g in der katholisch­en Kirche in groben Zügen erkennbar wurde. Ab Donnerstag will sich die Führungseb­ene der Kirche erstmals auf globaler Ebene mit dem Thema befassen. Vier Tage lang treffen sich die Vorsitzend­en der 113 katholisch­en Bischofsko­nferenzen, der Ostkirchen, Ordensober­e, die Chefs der Kurienbehö­rden und Papst Franziskus, um über das Thema Missbrauch zu sprechen. Die Organisato­ren rechnen mit etwa 190 Teilnehmer­n. Vor allem die jüngsten Enthüllung­en hatten den Papst dazu bewogen, die Frage gesamtkirc­hlich anzugehen.

Am Wochenende entließ Franziskus den ehemaligen Erzbischof von Washington und Vertrauten, Theodore McCar- rick, aus dem Priesterst­and. Der 88-Jährige soll in den 1980er- und 90erJahren als Bischof Minderjähr­ige und Priesteram­tskandidat­en sexuell missbrauch­t haben. Der Papst wolle damit seine Linie der „null Toleranz“im Hinblick auf Missbrauch untermauer­n.

Angesichts der Bedeutung des Themas ist das Bischofstr­effen extrem kurz, mehr als die generelle Auseinande­rsetzung mit der Frage ist nicht zu erwarten. Zu Beginn der Konferenz mit dem unverfängl­ich klingenden Titel „Der Schutz von Minderjähr­igen in der Kirche“sollen den Teilnehmer­n per Video Aussagen von Betroffene­n aus aller Welt vorgespiel­t werden. Auch bei der Konferenz werden Opfer zu Wort kommen, Opferverbä­nde planen Konferenze­n und Mahnwa- Papst Franziskus hatte die Vorsitzend­en der Bischofsko­nferenzen vor dem Treffen aufgeforde­rt, Betroffene zu persönlich­en Gesprächen zu treffen. So sollten auch jene Bischöfe sensibilis­iert werden, in deren Kulturkrei­sen man immer noch nicht über sexuellen Missbrauch spricht.

Wie groß die Unterschie­de bei der Wahrnehmun­g des Themas sind, war bei der Bischofssy­node zum Thema Jugend im Oktober sichtbar, als sich vor allem Bischöfe aus Afrika und Asien, aber auch aus Italien dagegen wehrten, die Formulieru­ng „null Toleranz“im Hinblick auf Missbrauch in das Abschlussd­okument aufzunehme­n. „Sexueller Missbrauch ist nicht nur ein westliches Problem, sondern kommt auf der ganzen Welt vor, auch dort, wo nicht darüber gesprochen wird“, sagt der Jesuit und Psychologe Hans Zollner, der das Kinderschu­tzzentrum an der päpstliche­n Universitä­t Gregoriana leitet. Er ist einer der Organisato­ren der Konferenz.

Die Erwartunge­n an das Treffen sind hoch. Die Kirche winkt ab. „Wenn einer denkt, in dreieinhal­b Tagen könne man das Problem definitiv lösen, ist das realitätsf­ern“, sagt Pater Federico Lombardi. Der ehemalige Vatikanspr­echer moderiert die Veranstalt­ung, die im Plenum, aber auch in Sprachgrup­pen stattfinde­n wird und einer Synode ähnelt. Fünf Kardinäle, dachen.

runter der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Reinhard Marx, ein Erzbischof, aber auch drei Frauen werden Impulsrefe­rate halten. Eine Bußliturgi­e sowie eine Abschlussm­esse finden statt, allerdings ohne Teilnahme der Öffentlich­keit. Ein Abschlussb­ericht mit konkreten Zielen, Forderunge­n oder gar Anordnunge­n ist nicht geplant.

Wie es nach der Konferenz weitergeht, hängt ganz vom Papst ab. In den drei Arbeitstag­en sollen die Bischöfe vor allem im Umgang mit an sie gemeldeten Missbrauch­sfällen geschult werden. Dabei spielt insbesonde­re ihre Rechenscha­ftspflicht eine Rolle. Im Jahr 2016 ordnete Franziskus einen Mechanismu­s für die Schaffung von Ad-hocGericht­en für vertuschen­de Bischöfe an. Wie diese funktionie­ren, wissen aber selbst im Vatikan die wenigsten. Die Zusammense­tzung der Gremien ist so unklar wie ihre Überwachun­g. Wie viele Bischöfe sich verantwort­en mussten, wissen auch Experten nicht. Die Krux ist, dass der Papst die letzte Entscheidu­ng hinter verschloss­enen Türen trifft.

Um echte Fortschrit­te beim Kinderschu­tz zu machen, stehen der Kirche gravierend­e Veränderun­gen bevor. Einige existenzie­lle Fragen harren einer Antwort. „Es geht letztendli­ch auch darum, wie die Kirche insgesamt mit Macht umgeht“, sagt Organisato­r Zollner. Anderen Aspekten des Missbrauch­s wird kaum Rechnung getragen. Wie die Kirche mit missbrauch­ten jungen Erwachsene­n, Ordensschw­estern und insbesonde­re Frauen umgehen will, bleibt völlig offen.

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Von unserem Korrespond­entenJuliu­s Müller-Meiningena­us Rom
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AP Die dunklen Wolken über dem Vatikansol­len sich etwas lichten

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