Es gibt nichts Gutes, außer man tut es
Jetzt ist schon wieder was passiert. Die Konflikte zwischen den „Gelbwesten“und der französischen Regierung nehmen kein Ende. Im zentralistischen Frankreich fühlen sich große Teile der ländlichen Bevölkerung noch stärker „abgehängt“als anderswo. Das hat mit Landflucht, Globalisierung und Realeinkommensverlusten der unteren Mittelschicht zu tun; aber auch mit Etiketten wie „Modernisierungsverlierer“und dem Eindruck, die Kontrolle über das eigene Leben verloren zu haben. Es sind dieselben Faktoren, die zur Wahl Donald Trumps und zum Brexit führten.
In österreichischen Augen schockierend ist die Gewalt, mit der Demonstranten und Polizei aufeinanderprallen. Sicher, unter den Gelbwesten gibt es Extremisten, von strammen Nationalisten bis zu radikalen Anarchisten. Aber es sind auch betagte Durchschnittsbürger darunter, die dann schon einmal ein Auge an ein polizeiliches Gummigeschoss verlieren. Wie können sich Situationen dermaßen aufschaukeln?
Die klassische sozialpsychologische Erklärung dafür ist das Gefängnisexperiment von Philip Zimbardo. In einem Keller der Stanford University inszenierte er 1971 eine Gefängnissituation: Die Teilnehmer wurden per Losentscheid der Gruppe der Gefangenen oder Wärter zugeteilt, mit entsprechenden Utensilien (Sträflingsoveralls, Wärtersonnenbrillen) ausgestattet und aufgefordert, sich rollengemäß zu verhalten. Das führte binnen Kürzestem zu extremen Verhaltensweisen, vom Sadismus bis zum Zusammenbruch von Gefangenen. In der Verfilmung mit Moritz Bleibtreu, „Das Experiment“(2001), endet es mit einem Todesfall; in der Realität wurde durch Intervention von Zimbardos Freundin rechtzeitig abgebrochen. Die Lehre daraus ist, trotz späterer Methodenkritik, dass zugewiesene Rollen und „starke Situationen“außergewöhnliches Verhalten provozieren.
Z usammenstöße à la française sind in Österreich bisher undenkbar. Kluge Politik, faire Lebenschancen für möglichst viele und eine deeskalierende Polizei sind der Schlüssel dazu, dass das auch so bleibt.
Schockierend in österreichischen Augen ist die Gewalt, mit der Demonstranten und Polizei in Frankreich aufeinanderprallen.