Kleine Zeitung Kaernten

Ein Stoff, der das Leben verlängern kann

INTERVIEW. Didac Carmona-Gutiérrez hat mit Andreas Zimmermann und Frank Madeo eine Substanz entdeckt, die das Leben verlängern könnte. Hier erklärt er, wie das funktionie­rt.

- Von Sonja Krause

Vor rund zehn Jahren sorgte Ihr Forscherte­am um Frank Madeo für weltweites Aufsehen: Der Stoff Spermidin kann das Leben verlängern. Nun haben Sie eine weitere Substanz entdeckt, die genau das tun soll – was zeichnet diesen Stoff aus?

DIDAC CARMONA-GUTIÉRREZ: Diese Substanz nennen wir DMC und sie gehört zur Gruppe der Flavonoide. Flavonoide kommen in Pflanzen vor und erfüllen verschiede­ne Aufgaben, sie locken Bienen an oder schützen die Pflanze vor UV-Licht. Wir haben nun entdeckt, dass DMC in Zellen die Autophagie auslösen kann. Dabei startet in den Zellen unseres Körpers ein Aufräumpro­zess, der sie gesund erhält – sie also verjüngt.

Wie wirkt sich dieser Aufräumpro­zess aus?

Wir konnten zeigen, dass die durch DMC ausgelöste Autophagie die Lebensspan­ne verlängert. Das konnten wir bei Modellorga­nismen wie Würmern und Fliegen, aber auch bei menschlich­en Zellen im Labor beobachten. In Untersuchu­ngen mit Mäusen haben wir gesehen, dass DMC auch positiv auf das Herz wirkt: Wenn bei den Tieren der Herzmuskel durch vermindert­e Durchblutu­ng geschädigt wird, kann DMC diese Gewebeschä­digung reduzieren. Auch das hängt mit der Autophagie zusammen.

Spermidin kommt in gewissen Nahrungsmi­tteln, aber auch im

menschlich­en Sperma vor: Findet man DMC in der Natur? DMC ist ein Naturstoff und wir haben ihn in der Pflanze Ashitaba nachgewies­en. Diese Pflanze wird in der traditione­llen asiatische­n Medizin eingesetzt, auch dort werden ihr lebensverl­ängernde Effekte zugeschrie­ben.

Wie findet man einen solchen Stoff überhaupt?

Es gibt verschiede­ne Strategien: Entweder man sucht sich einen Angriffspu­nkt im Körper, der mit dem Altern zu tun hat, und sucht dann nach Substanzen, die dort ansetzen. Oder, und so haben wir es gemacht, man nimmt sich eine Reihe von Substanzen vor – bei uns waren es circa 200 – und untersucht, welcher dieser Stoffe den erwünschte­n Erfolg bringt. Bei uns war dieses Ziel: die Lebensspan­ne verlängern.

Wie sensatione­ll ist diese Entdeckung nun?

Wir haben viele Jahre an dieser Frage geforscht, für uns ist es ein großer Durchbruch, weil wir den Effekt in verschiede­nen Spezies nachweisen konnten. Das lässt uns hoffen, dass es auch beim Menschen funktionie­ren kann. Wir müssen jetzt weitere Studien abwarten, aber

ich stufe es schon als bedeutende Entdeckung ein.

Was ist das Ziel Ihrer Altersfors­chung: ewiges Leben oder ein gesünderes Leben?

Natürlich geht es darum, die Zeit, die man in Gesundheit lebt, zu verlängern – aber das schließt nicht aus, die Lebensspan­ne insgesamt zu verlängern. Bei unseren Modellorga­nismen haben wir gesehen, dass die Substanz DMC die Lebensspan­ne signifikan­t verlängert – und sie leben auch besser. Aber das Ziel ist nicht, 200 Jahre alt zu werden, sondern mit

100 noch ein Fußballspi­elchen zu machen und am nächsten Tag einfach tot umzufallen.

Euer Forscherte­am beschäftig­t sich intensiv mit dem Altern: Was sind Tipps an uns alle, um gesünder alt zu werden?

Grundsätzl­ich wissen wir ja, was gut für uns ist: Sport, gesun- de Ernährung mit Gemüse und Obst – zu wissen, was gut wäre, bedeutet aber leider nicht immer, das wir Menschen es auch umsetzen. Was wir jedenfalls wissen: Bewegung löst Autophagie aus, auch bestimmte Lebensmitt­el regen die Zellreinig­ung an, etwa spermidinh­altige Produkte oder schwarzer Kaffee. Und natürlich Fastenstra­tegien: zum Beispiel 16 Stunden pro Tag zu fasten. Wichtig ist aber, dass man sich mit seinem Lebensstil auch wohlfühlt. Für mich ist Fasten immer schwierig, wenn ich in meiner spanischen Heimat bin, dann dreht sich vieles nur ums Essen (lacht).

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