Nahe gekommen
REPORTAGE. Am Wochenende jagen die Skiflieger in Planica den Weltrekord von 253,5 Metern. Eine Annäherung im Selbstversuch von Villachs Schanzen.
Das Herz klopft bis zum Hals, im Bauch kribbelt es gewaltig, Adrenalin durchströmt den Körper. Raus geht’s auf den Zitterbalken, der seinem Namen alle Ehre macht. Es ist steil und hoch. Die Stadt breitet sich unter einem aus, wird aber nur am Rande wahrgenommen. Gedankenfetzen fliegen durch den Kopf. Ist die Bindung zu? Was ist zu tun? Warum macht man das überhaupt? Aber gerade jetzt ist keine Zeit für Zweifel.
die es in letzter Zeit mehr als ein Mal gab. Denn Skispringen war nicht zwingend die Liebe auf den ersten Blick. Selbst für geübte Skifahrer ist es nämlich nicht gerade einfach, mit kantenlosen Skisprunglatten und Schuhen ohne Halt zu fahren und zu bremsen. Der Erstkontakt endet auf der kleinsten Kinderschanze nach einem unglaublichen Eineinhalb-Meter-Sprung mit einem Bauchfleck. Beim ersten gestandenen Versuch ist plötzlich der Auslauf viel zu kurz, man küsst die Schneebarriere.
„Das nächste Mal fährst du den Sprunghügel hinunter, damit du das Gefühl für die Ski bekommst. Skispringen lernt man eben nicht von heute auf morgen“, sagt Trainerin Monika Erjavec, die sich in der Alpenarena mit Anna Kienzer und Gerald Nageler liebe- und respektvoll um die Talente der Skiläufervereinigung Villach und eben um einen Spätberufenen kümmert.
Hüpfer um Hüpfer geht es weiter. Schon die 15-Meter-Schanze ist beim ersten Mal angsteinflößend. Nicht aber für die sieben-, achtjährigen Buben und Mädchen, die dem Exoten mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Wenn du die Bindung aufmachst, tust du dir beim Einsteigen leichter“, sagt einer der mutigen „Schan- zenknirpse“mit verschmitztem Lächeln. Auch die anwesenden Eltern und Großeltern betrachten den 45-jährigen Neuankömmling mit großen Augen. „Gut gemacht. Ich würde mich das nicht trauen“, sagt einer. „Du musst die Beine in der Luft strecken“, sagt Trainerin Anna Kienzer. Beim nächsten Mal soll’s auf die 30-Meter-Schanze gehen.
wartet die Premiere im Sprunganzug. Falls es einen gibt, der auch einem 90Kilo-Bröckerl passt. Der nordische Sportwart Alexander Erjavec wird fündig. Ein knallgelber Anzug mit eingenähtem Zwickel für XXL-Skipringer soll es sein. Trotzdem wird die Anprobe fast zur Zerreißprobe für das Material. Oben angekommen, ist es wieder da. Das Unbehagen. Den Satz „Was, da soll ich hinunterspringen?“quittiert einer der jungen Springerkollegen mit einem herzhaften „Hahaha“.
Auch hier gehen die Trainerinnen behutsam vor. Luke um Luke wird der Anlauf verlängert. Aus Hüpferchen werden Hüpfer. „Zehenspitzen in der Luft anziehen, Oberkörper und Knie nach vor und nach vorne rausspringen. Wenn du nur gerade in die Höhe springst, landest du am Rücken“, warnt Monika Erjavec.
Wenn das so einfach wäre. Die Bewegungsabläufe eines 45-Jährigen lassen sich eben nicht in so kurzer Zeit verändern. Auch die Unbekümmertheit ist nicht