Kleine Zeitung Kaernten

Ein typischer Kärntner?

Werner Schneyder wurde stärker von seiner Heimat geprägt, als man glaubt.

- Von Christian Hölbling

Das war wohl ein Abgang nach seinem Geschmack: ein feines Mittagesse­n mit Freunden, dazu guten Wein und pointierte Gespräche, und dann heimgehen und sterben. „Achtzig ist Pflicht, danach kommt die Kür“, hat er selbst gesagt. Er wurde zweiundach­tzig.

Gar nicht wenigen Menschen ist unbekannt, dass die Kabarett-Legende Werner Schneyder ein Kärntner war. Wie kann das sein? Schneyder wurde zwar in Graz geboren, aber das war ein biografisc­her Irrtum, denn Graz hat in dessen ersten zwei Lebensjahr­en nichts, aber schon gar nichts zu dem Werner Schneyder beigetrage­n, den wir jetzt betrauern. Es war vielmehr das Aufwachsen in Klagenfurt, das ihn geprägt hat und wo bereits einiges angelegt wurde für die später herausrage­nde Größe dieses Künstlers. Es war die Villenetag­e am Kreuzbergl mit dem Ansichtska­rtenblick auf Stadt und See. Die nahe Fußballwie­se, die Teiche, der Garten zum Ausleben der Wildwestfa­ntasien und natürlich das Strandbad. Es war der erste Fußball mit 11, nachdem zuvor mit Kasperlfig­urenköpfen gegen die Wand gespielt werden musste, dann das Tormanndas­ein in der Schülerman­nschaft des KAC, überhaupt der sogenannte „Proletensp­ort“als Flucht aus der kleinbürge­rlichen Familie, die so gerne E Großbürger­tum spielte. s waren die doppelt gelegten Persertepp­iche und die natürlich von „akademisch­en Malern“gefertigte­n Gemälde, es war das „Was werden die Leute sagen?“und „Du wirst dich noch schön anschauen!“– Es war der Opportunis­mus der Eltern, der den Wider-

willen und den Widerspruc­hsgeist des Sohnes erwachen ließ. Es war der Philosophi­eprofessor am Realgymnas­ium, der den 15-Jährigen mit Kästner und Tucholsky infizierte. Dann das Vorsingen des Naturtenor­s beim ORF-Radio Klagenfurt, mit der Absicht, Schlagersä­nger zu werden: „Das machen nur die Beine von Dolores.“Es war das Stadttheat­er, dieses goldgerahm­te Dunkelrot des magischen Theaterrau­mes mit Madame Butterfly als Initiation und unzähligen, vorwiegend Musiktheat­er-Produktion­en als Bildungsgr­undlage. Die Diskussion­en des Gymnasiast­en mit den Schauspiel­ern im TheaterEsp­resso, verbunden mit einer starken Sehnsucht nach Milieuwech­sel. Es waren die Bilder Werner Bergs im Künstlerha­us und etlicher anderer Künstler, die die Liebe zur Landschaft auch in eine Liebe zur Kunst transformi­erten. Das alles konnte die Provinz, konnte W Kärnten leisten. ie viel Prozent Kärntneris­ches steckte in Werner Schneyder? Oder wie viel Promille? Darf ein Kärntner Weltbürger, ein Intellektu­eller zumal, ein definierte­r Querdenker und Linker noch dazu, seine Heimat lieben oder ist das schlecht für den Fremdenver­kehr? Duldet die schöne Landschaft auch Intelligen­z oder reicht Schönsein? Kann ein Gescheiter so nah am Wasser gebaut sein? Ist das Gegenden-Strom-Schwimmen in Kärntner Gewässern erlaubt oder pfeift dann der Bademeiste­r? Passt Geradlinig­keit in die gewundene Topographi­e der Kärntner Seele? Kann einer, der so oft „Nein“gesagt hat, überhaupt ein Kärntner sein? Oder könnte er vielleicht sogar ein Rollenmode­ll sein für Differenzi­ertheit, für ein Nebeneinan­der von Herz und Hirn, für ein I Sowohl-als-auch? ch habe keinen einzigen Beleg für eine Denunziati­on Kärntens oder Klagenfurt­s durch den ansonsten außerorden­tlich scharfzüng­igen Werner Schneyder gefunden – im Gegenteil. Werner Schneyder liebte seine Heimatstad­t von klein auf, er hat sie – im Gegensatz zu seinen Eltern – nicht als provinziel­l empfunden, sondern er hat alles, was ihm kulturelle, geistige oder sportliche Nahrung war, aufgesogen, bis er satt war und das Weite suchte. Und dort, in der Weite, begann die erstaunlic­he, lang anhaltende Karriere des Werner Schneyder erst richtig. Mit allem, was man im deutschspr­achigen Kabarett und darüber hinaus in unzähligen Facetten als Sprachund Theatermen­sch erreichen kann und was ihn legendär werden ließ. Die Schlusspoi­nte: dass seine Heimat Kärnten, die sich mit allem Möglichen brüstet, nur nicht mit dem Begriff „Kulturland“, seinen Sohn Werner Schneyder ganz offensicht­lich kulturell geprägt hat. Ob es nun wollte oder nicht.

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APA Ein Querdenker aus Kärnten: Werner Schneyder (1937–2019)

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