„Die Kriegsgefahr in Europa könnte steigen“
Die Reaktion der Nato ist für den Politologen und Russlandexperten Gerhard Mangott nun wesentlich.
K ann man nach dem heutigen Ende des INF-Vertrags sagen: Die Abrüstung ist tot?
GERHARD MANGOTT: Das Risiko für einen neuen Rüstungswettlauf ist groß. Der INFVertrag war der vorletzte Vertrag zwischen Russland und den USA, in dem vertraglich nukleare Rüstungskontrolle betrieben wurde. Das Ende ist brisant. Der letzte Vertrag, der Vertrag „New Start“, läuft 2021 aus. Die Frage ist nun, ob die Nato symmetrisch oder asymmetrisch reagiert, wenn Russland aufrüstet.
Was heißt das?
Symmetrisch bedeutet, dass die Nato damit beginnt, bodengestützte Marschflugkörper auf NatoTerritorium, vor allem in den osteuropäischen Staaten Polen und des Baltikums, zu stationieren. Asymmetrisch heißt, dass es zu einer Verstärkung des Raketenabwehrsystems innerhalb des Nato-Territoriums in Europa kommt.
Was bedeutet das Ende des INF-Vertrags für Österreich?
Das Gleiche wie für die anderen mittel- und westeuropäischen Staaten: Wenn diese speziellen russischen Raketensysteme tatsächlich in Russland stationiert werden, sind wir im Reichweitenradius, also ein potenzielles Angriffsziel dieser konventionellen oder nuklear bestückten Marschflugkörper. Wenn die Nato symmetrisch reagiert, wären Deutschland und Österreich überhaupt in der Schusslinie von Nato und Russland.
Muss man sich fürchten?
Ich denke nicht. Die Nato wird vermutlich asymmetrisch reagieren, und wir werden es nicht mit einer großflächigen Stationierung amerikanischer Mittelstreckensysteme in Europa zu tun bekommen. Ausgeschlossen ist das aber nicht, weil Polen, Estland, Lettland und Litauen gerne auch außerhalb der Nato direkt mit den USA Sicherheitsvereinbarungen schließen. Es könnte auch sein, dass die Nato zwar asymmetrisch antwortet, dass sich die USA aber bilateral arrangieren und Mittelstreckensysteme stationieren. Damit wäre die grundsätzliche Kriegsgefahr in Europa enorm gestiegen. Wie Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre.
Manuela Tschida-Swoboda