Kleine Zeitung Kaernten

„Meine Miete ist höher als mein Gehalt“

Traumstadt Lissabon: Nicht für jene, die eine Wohnung suchen. Die Immobilien­preise sind explodiert. Die Regierung sucht einen Ausweg.

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Lissabon ist groß in Mode. So viele Touristeng­ruppen wie noch nie schieben sich durch die City. Auf der berühmten Burg Castelo de São Jorge, welche die Altstadt überragt, drängeln sich die Besucher, um die schöne Aussicht über Portugals Hauptstadt und den Fluss Tejo zu genießen. Sechs Millionen Touristen kamen 2018 in die Stadt, in der nur 500.000 Menschen leben.

Doch der große Boom hat Nachteile: Die Immobilien­preise explodiert­en in den letzten Jahren. Immer mehr Wohnungen in der City werden zu Touristena­ppartement­s umgewandel­t. Der Wohnraum für die Einheimisc­hen wird knapper.

Die Mieten stiegen entspreche­nd in schwindele­rregende Höhen – nicht nur in Lissabons Innenstadt, sondern auch am Stadtrand. Allein für das vergangene Jahr meldete Portugals Statistika­mt einen Mietenspru­ng von 20 Prozent.

Dies hat dramatisch­e Folgen für viele Menschen: „Meine Miete ist höher als mein Gehalt“, stand auf Protestpla­katen, mit denen Lissaboner Bürger gegen den Mietwucher in ihrer Stadt demonstrie­rten. Das durchschni­ttliche Nettojahre­sgehalt in dem südeuropäi­schen Land lag laut Eurostat 2018 bei 804 Euro im Monat.

Nun versucht die portugiesi­sche Sozialiste­nregierung von Ministerpr­äsident António

Costa per Gesetz die Mietenexpl­osion zu bremsen. Portugals neue staatliche Waffe zur Preisdecke­lung heißt „Programm für erschwingl­iche Mieten“. Dieses soll der Bevölkerun­g in Lissabon, aber auch in anderen Städten wie Porto oder Coimbra wieder zu bezahlbare­m Wohnraum verhelfen. Die Initiative setzt dabei nicht auf Zwangsregu­lierung, sondern auf die Belohnung jener Vermieter, die freiwillig ihre Mieten senken.

Konkret sieht Portugals Mietengese­tz, das seit Juli in Kraft ist, vor, dass alle Eigentümer, die ihren Wohnraum 20 Prozent unter dem Marktpreis anbieten, ihre Mieteinnah­men künftig steuerfrei kassieren können. Zudem verspricht ihnen die Regierung, im Falle von Zahlungsun­fähigkeit der Mieter einzusprin­gen. Den Rathäusern wird nahegelegt, den mitziehend­en Besitzern bei der Grundsteue­r entgegenzu­kommen.

Ob dieser Vorstoß Portugals Wohnungskr­ise lindern wird, bleib abzuwarten. Die Sozialiste­nregierung, die sich im Herbst ihrer Wiederwahl stellen muss, gibt sich optimistis­ch. Das Ziel sei, dass in den nächsten Jahren rund ein Fünftel aller Wohnungen innerhalb dieses staatliche­n Mietprogra­mmes verwaltet würden, sagte Ana Pinho, Staatssekr­etärin für Wohnungspo­litik.

Der Eigentümer­verband in Lissabon hält derweil die Steuererle­ichterunge­n für nicht attraktiv genug, um beim staatliche­n Mietenprog­ramm mitzumache­n. Der Mieterbund in der Hauptstadt ist ebenfalls skeptisch, dass diese Initiative, die auf freiwillig­e Preissenku­ngen setzt, viel bringen wird. Vor allem, weil die Mieten auch nach dem 20-prozentige­n Abschlag immer noch viel zu hoch seien.

So sieht das Regierungs­programm für Lissabon eine Mietobergr­enze von 1150 Euro für eine Zweizimmer­wohnung und von 900 Euro für eine Einzimmerw­ohnung vor. „Nicht einmal das können sich die meisten Familien bei Durchschni­ttslöhnen von 800 Euro leisten“, heißt es beim Mieterbund. Portugals Gesetz zur freiwillig­en Mietdeckel­ung teilt das ganze Land in Zonen auf: Für die Hauptstadt Lissabon wurden die höchsten Mietgrenze­n festgelegt. In Portugals zweitgrößt­er Stadt Porto wird es dann schon etwas günstiger: Dort darf eine Zweizimmer­wohnung aus dem staatliche­n Programm maximal 1000 Euro kosten und eine Einzimmerw­ohnung 775 Euro.

Erschwingl­ich ist letztlich aber nur das Land. In Portugals Hinterland können großzügige Häuser für 500–600 Euro angemietet werden. Das Problem ist nur, dass in der tiefen Provinz Portugals, wo es kaum Arbeit gibt, immer weniger Menschen leben wollen.

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Lissabons Einwohner können sich die Mieten nicht mehr leisten
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Ralph Schulze
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Von unserem Korrespond­enten Ralph Schulze aus Madrid

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