Eine Bergstraße als Rennstrecke
LOKALAUGENSCHEIN. Entlang der Sobothstraße zwischen der Steiermark und Kärnten wächst Ärger über und die Angst vor rasenden Motorradfahrern. Die Polizei sieht sich an Grenzen.
Die Antworten sind ein, maximal zwei Sätze alt, schon beginnt das Klagen, Kritisieren und Schimpfen. Über den Lärm. Über die Raser. Über zu wenig Kontrollen und zu viel Angst. Erkundigt man sich entlang der Südsteirischen Grenzstraße zwischen Eibiswald und der Soboth nach der Meinung der Anrainer, trifft man sehr schnell auf sehr viel Emotion. Egal sind sie hier jedenfalls keinem – die Motorradfahrer. Dafür sind es mittlerweile zu viele, die an sonnigen Sommertagen die im Verkehrsfunkdeutsch als „B 69“bekannte Verbindung nach Kärnten zu ihrem Hoheitsgebiet erklären.
Die Bergstraße mit ihren lang gezogenen Kurven, den mit glatten Abprallbrettern verkleideten Leitplanken und den weißen Ideallinie-Markierungen in den frisch asphaltierten Kurven, gilt als beliebte Route für Zweirad-Ausflugsfahrten. Zum Leidwesen vieler, die hier leben. „Mir reicht’s!“, bricht es aus einem Stammgast der Bar Andrea an der Tankstelle bei St. Oswald
heraus. Die Kollegen rund um den Stehtisch gleich neben dem Eingang nicken. „Außer Gestank und Lärm lassen die nicht viel da“, schiebt einer nach.
Die Kritiker wollen anonym bleiben. „Fragen S’ die Christine“, wird an die freundlich lächelnde Frau hinter der Bar verwiesen. Sie ist um Differenzierung bemüht. „Zu 90 Prozent sind es gemütliche, nette Leute, die sich auf der Straße ganz normal und rücksichtsvoll verhalten.“Eine gleichlautende Statistik liefert Hubert Koller, bis zur Zusammenlegung mit Eibiswald Bürgermeister in Soboth. Auch Erich Heußerer, heute Vizebürgermeister der Fusionsgemeinde und seit Jahren als Polizist beruflich mit der Situation eng befasst, rechnet vor, dass „nur zehn Prozent die Straße mit einer Rennbahn verwechseln“. Mit schlagzeilenbekannten Folgen. Allein heuer gab es bereits drei tote Motorradlenker zu beklagen. Erst vor wenigen Tagen sorgte ein im Netz aufgetauchter Videomitschnitt eines Frontalzusammenstoßes mit tödlichem Ausgang für Entsetzen. Im Nachhall derartiger Tragödien wird schnell der Ruf nach mehr Tempolimits, schärferen Kontrollen und härteren Strafen laut. So kann sich Ex-Bürgermeister Koller rigorosere Führerscheinentzüge bis hin zur „Beschlagnahme“des Motorrads vorstellen.
Astrid Strutz, Chefin des Roschitzwirt, eines bei den Bikern beliebten „Boxenstopps“, wünscht sich ein durchgehendes 80-km/h-Tempolimit. Im direkt an der Straße gelegenen Friseurladen „Sissi“wiederum kann man sich ein Fahrverbot für Motorräder an den Wochenenden vorstellen. „Viele Einheimische haben Angst und trauen sich wegen der Raser nicht mehr auf die Straße.“Deshalb wünsche man sich „viel mehr Kontrollen“Polizei-Dienststellenleiter Heußerer relativiert: Höhere Strafen seien „nicht das Gelbe vom Ei“und Kontrollen führe man „so oft wie möglich“durch: „Wir sind praktisch jeden Tag an der Strecke.“Aber man könne nicht 24 Stunden überall kontrollieren. Außerdem steht der schrumpfenden Beamtenschaft – „früher waren wir 14 Personen allein am Posten Soboth, heute sind wir für ganz Eibiswald 13“– eine wachsende Gerissenheit der Motorradfahrer gegenüber. Kennzeichentafeln werden so montiert, dass sie sich durch den Fahrtwind waagrecht stellen und für Radarfotos unlesbar bleiben. Auch von Funkverbindungen unter den Bikern ist die Rede, über die sie einander vor Kontrollen warnen. Bei Kilometer 26 hat Heußerer Verstärkung bekommen. Ein PlastikGendarm mit Radarpistole hat hinter dem Gartenzaun von Gernot Kainz Aufstellung genommen. Vinzenz wurde früher an Gemeinden verliehen, jetzt sorgt er hier dafür, dass die Motorradfahrer langsamer werden. „Normalerweise ist das ja die Hölle, die fahren Rennen herauf“, weiß Kainz. Und weiter: „Es werden nicht die letzten Toten gewesen sein.“