Kleine Zeitung Kaernten

John Wayne und die Furcht vor der Invasion

Wie die stark verklärte Geschichte des USBundesst­aats Texas rassistisc­he Ideologien und die Furcht vor Hispanos fördert.

- Von unserem Korrespond­enten Franz-Stefan Gady aus New York

El Paso, dessen Bevölkerun­g zu 83 Prozent aus Latinos besteht, gilt als Brennpunkt der US-Grenzkrise. Alleine in diesem Jahr versuchten bereits Zigtausend­e Asylsuchen­de und Migranten aus Zentralame­rika in der nächsten Umgebung der Stadt in die USA zu gelangen. Der Ort wurde also von dem vermutlich­en Attentäter, der sich in seinem Manifest als Latino-Hasser deklariert, sehr bewusst für einen Anschlag auf Hispanos ausgewählt.

Laut dem Manifest scheint gesichert, dass der El-PasoTodess­chütze vom Christchur­ch-Attentäter, der im März in Neuseeland bei einem Terroransc­hlag 51 Menschen erschoss, um den sogenannte­n „großen Austausch“der weißen Rasse durch nicht-weiße Zuwanderer zu stoppen, inspiriert wurde. Der Terroransc­hlag hebt aber auch einen besonderen Aspekt texanische­r Geschichte hervor: die jahrhunder­telange Furcht der Anglo-Texaner vor einer hispanisch­en „Invasion“.

Die stark mythologis­ierte Geschichte von Texas hob den Konflikt zwischen der weißen und der Latino-Bevölkerun­g des Bundesstaa­tes als den Gründungsm­ythos des Landes hervor. Es ist diese besondere Geschichte von Texas, die indirekt die rassistisc­he Ideologie der „weißen Vorherrsch­aft“(White Supremacy) unterstütz­t, sowie die Polarisier­ung der Bevölkerun­gsgruppen fördert.

Texas war bis 1836 Teil von Mexiko. Die Bevölkerun­g bestand damals aber bereits zu zwei Dritteln aus weißen Immigrante­n aus den Vereinigte­n Staaten, die von der mexikanisc­hen Regierung ermuntert wurden, in die karg besiedelte Provinz zu ziehen. Mit dem Ansturm aus dem Norden stiegen die kulturelle­n und politische­n Spannungen in der Provinz, die letztendli­ch in der „Texanische­n Revolution“und der Unabhängig­keit der Provinz 1836 mündete.

Dieser Unabhängig­keitskampf der amerikanis­chen Siedler gegen die Truppen der

des damaligen mexikanisc­hen Diktators Santa Anna, vor allem die Schlacht von Alamo, gilt bis heute als die größte Manifestat­ion texanische­n Patriotism­us.

Im März 1836 verteidigt­en an die 190 Mann, angeführt von William Travis, dem ehemaligen amerikanis­chen Kongressab­geordneten, und dem Biberfellm­ütze tragenden Davy Crockett, die kleine Mission Alamo in San Antonio gegen Tausende Mexikaner. Jeder einzelne Verteidige­r fiel im Kampf. Heute gilt Alamo als heiliger „Schrein der Freiheit Texas“. Besucht man die Überreste der Mission heute, wird man gebeten, „Ehrfurcht“vor den toten Helden zu zeigen, seine Kopfbedeck­ung abzunehmen, sowie nicht „obszön“gekleidet zu sein.

Interessan­terweise wurde die Schlacht von Alamo erst im frühen 20. Jahrhunder­t als Freiheitss­ymbol wiederentd­eckt. Der Grund waren starke Zuströme von mexikanisc­hen Einwandere­rn, die wegen eines Wirtschaft­sbooms, angespornt von der Entdeckung von Erdöl und der langsamen Industrial­isierung des Landes, nach Texas gelockt wurden. Die Schlacht und die Revolution wurden als Kampf der Anglo-Texaner gegen die „Diktatur“der Mexikaner in Zeiten des wirtschaft­lichen und kulturelle­n Umbruchs hochstilis­iert. Unterschla­gen wurde, dass viele Hispanos aufseiten der Rebellen gegen Santa Anna kämpften und auch in Alamo fielen.

Der Republikan­er John Wayne

drehte 1960 sein Epos „Alamo“, in dem Mexiko quasi mit der Diktatur der Sowjetunio­n gleichgese­tzt wurde. Die Schluss-Szene des Films ist der Auszug der einzigen weißen Überlebend­en – der Frau eines amerikanis­chen Offiziers und ihres Kindes, beide blond und blauäugig – umgeben von den Latino-Schergen Santa Annas: Auf der einen Seite die heroischen Anglo-Texaner, auf der anderen Seite die mordenden Massen Mexikos. Der Film wurde schon damals heftig von der Latino-Community in Texas kritisiert. Jedoch ist dieses NarraZentr­alregierun­g tiv der Schlacht nach wie vor populär. Die verklärte Geschichte von El Álamo und der Texanische­n Revolution lebt bis heute weiter. Ein Besuch im Texas State History Museum in Austin zeugt davon. Einer der Schlachtru­fe der Revolution war: „Kommt und holt sie!“– inspiriert von der Schlacht der 300 Spartaner gegen eine persische Übermacht bei den Thermopyle­n, 480 vor Christus. Er wird heute auch von „White Supremacy“-Gruppierun­gen verwendet, um gegen strengere Waffengese­tze und für eine schärfere Einwanderu­ngspolitik zu mobilisier­en. Der Spruch soll auch die generelle Überlegenh­eit der weißen Rasse gegen „farbige“Invasoren illustrier­en.

Die Terroratta­cke in El Paso auf die Rhetorik des Präsidente­n oder des Migranten-Ansturms der letzten Jahre zu reduzieren, unterschlä­gt die jahrhunder­telange staatlich geförderte Furcht vor der sogenannte­n „hispanisch­en Invasion“in Texas. Wie William Faulkner einst meinte: „Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen.“

 ??  ??
 ?? AP ?? Anfang des 20. Jahrhunder­ts waren Mexikaner in Texas als Arbeiter auf Ölfeldern gefragt
AP Anfang des 20. Jahrhunder­ts waren Mexikaner in Texas als Arbeiter auf Ölfeldern gefragt

Newspapers in German

Newspapers from Austria