Kleine Zeitung Kaernten

Das hilft in entscheide­nden Momenten

Ein Jahr nach Einführung des neuen Erwachsene­nschutzges­etzes: was sich für Menschen mit Beeinträch­tigungen geändert hat und wie man am besten für alle Fälle vorsorgt, in denen man nicht mehr selbst für sich entscheide­n kann.

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Der Begriff Sachwalter­schaft ist seit 1. Juli 2018 Geschichte. Seit damals regelt das Erwachsene­nschutzges­etz, nach welchen Kriterien Menschen, die ihre Angelegenh­eiten zumindest teilweise nicht mehr selbst regeln können, Hilfe eines „Erwachsene­nvertreter­s“bekommen.

„Wenn es Vorfälle mit psychisch oder intellektu­ell beeinträch­tigten Menschen gibt, die die Gesellscha­ft belasten, wird das Thema noch immer stark mit Sachwalter­schaft oder Entmündigu­ng in Zusammenha­ng gebracht“, schildert Robert Müller vom Fachbereic­h Erwachsene­nvertretun­g beim Verein Vertretung­sNetz (vormals Verein für Sachwalter­schaft) die Situation. „Unsere Rolle wird gern verkehrt gesehen: Das Erwachsene­nschutzges­etz soll aber die Betroffene­n schützen, nicht die Gesellscha­ft.“Allen vier Vertretung­sformen, die das neue Gesetz vorsieht, sei ein relativ strenges Prinzip zugrunde gelegt, das besagt: „Vertretung ist nur zulässig, wenn der Betroffene das selber will oder wenn es unvermeidl­ich ist,“sagt Müller.

Ein plakatives Beispiel für die Veränderun­gen durch das neue

Gesetz schildert Müllers Kollegin Andrea Kahlhammer: „Der Fall einer in ihren Vermögensa­ngelegenhe­iten besachwalt­eten Frau, die einiges an Sparguthab­en hatte und ihrem Sohn eine bestimmte Summe schenken wollte, ging vor ein paar Jahren noch bis zum OGH, weil das Erstgerich­t sagte, Geld herzuschen­ken, entspreche nicht dem Wohl der Frau. Nach dem neuen Gesetz wäre in diesem Fall nur eine einzige Frage zu stellen: Gefährdet sich die Frau durch den Wunsch, ihrem Sohn etwas zu schenken? Nein. Also hat der Erwachsene­nvertreter ihrem Wunsch nachzukomm­en“, sagt Kahlhammer. Einfach gesagt: „Fremdbesti­mmung tut weh, sie erst gerechtfer­tigt, wenn das, was ohne diesen Riegel passieren würde, der betroffene­n Person noch mehr wehtun würde.“Grundsätzl­ich sieht das Erwachsene­nschutzrec­ht folgende Formen der Vertretung vor:

1 Vorsorgevo­llmacht: Sie ist das ideale Instrument, um völlig ohne Not und Zeitdruck bei einem Notar oder Rechtsanwa­lt festzulege­n, wer genau in exakt welchem Umfang in eigenen Angelegenh­eiten entscheide­n soll, wenn man selbst einmal nur noch bedingt oder gar nicht mehr dazu in der Lage ist. „Man sollte jedenfalls nur jemanden bevollmäch­tigen, zu dem man ein Vertrauens­verhältnis hat“, sagt Müller. Die Vollmacht wird erst wirksam, wenn ein ärztliches Attest den Verlust der Entscheidu­ngsfähigke­it bescheinig­t, und kann jederzeit widerrufen werden.

2 Gewählte Erwachsene­nvertretun­g: Sie wurde sozusagen als „Vorsorgevo­llmacht light“für alle eingeführt, die durch eine plötzliche Erkrankung oder einen Unfall nicht mehr über ihre volle Entscheidu­ngsfähigke­it verfügen, aber noch artikulier­en können, von wem sie vertreten werden wollen und – zumindest in groben Zügen – auch in welchen Angelegenh­eiten. Die Vereinbaru­ng ist unbefriste­t, kann aber jederzeit widerrufen werden. Ansprechpa­rtner in dieser Sache sind Notare, Anwälte und der Verein Vertretung­sNetz.

3 Gesetzlich­e Erwachsene­nvertretun­g: Sie entspricht im Wesentlich­en dem, was ehemals „Vertretung naher Angehörige­r“hieß, und kommt erst zum Tragen, wenn die betroffene Person selbst keinen Vertreter mehr nennen kann oder will. Sie ist begrenzt auf drei Jahre und wird vom Gericht kontrollie­rt. Dabei kann sich eine Perist

son aus einer genau definierte­n Gruppe von Angehörige­n als gesetzlich­er Vertreter einer Person eintragen lassen, es gibt dabei keine bestimmte Reihenfolg­e: Der Gesetzgebe­r sieht vor, dass sich die Familie selbst auf einen Vertreter einigt. Wo das nicht möglich ist, kommt wohl keine gesetzlich­e Erwachsene­nvertretun­g infrage.

„Um zu verhindern, dass man in so einer Situation von einem Verwandten vertreten wird, den man dafür niemals ausgesucht hätte, gibt es seit dem Vorjahr auch die Erwachsene­n vertreter verfügung. Mit dieser regelt man nur, wer sein Vertreter sein soll, ohne die Details auszuformu­lieren“, sagt Müller. Dieses Instrument sei zwar weitgehend unbekannt, aber man könne damit sowohl bestimmte Angehörige als Vertreter ausschließ­en als auch festlegen, durch wen man im Falle des Falles vertreten werden möchte.“Im Unterschie­d zur Vorsorgevo­llmacht ist dieser Vertreter wieder gerichtlic­h kontrollie­rt. Die Registrier­ung übernehmen Vertretung­sNetz, Notare und Anwälte.

4 Gerichtlic­he Erwachsene­nvertretun­g (vormals Sachwalter­schaft): Wie der Name schon sagt, entscheide­t hier ein Gerichtsve­rfahren, welche Art der Vertretung für den Betroffene­n nötig ist, und bestimmt auch einen Erwachsene­nvertreter, der ein völlig Fremder sein kann. Der große rechtliche Unterschie­d zur dritten Säule? „Bei der gerichtlic­hen Erwachsene­nvertretun­g gibt es die Möglichkei­t, eine Person in ihrer Handlungsf­ähigkeit zu beschränke­n. Das Fachwort dafür heißt Genehmigun­gsvorbehal­t – etwa in Fällen, in denen ein Betroffene­r ständig problemati­sche Geschäftsa­bschlüsse im Internet tätigt“, erklären die Experten vom Vertretung­sNetz. Der zweite große Unterschie­d: Anders als bei der gesetzlich­en Erwachsene­nvertretun­g könne die gerichtlic­he Bestellung vom Betroffene­n nicht widerrufen werden.

„Die Verfahren zur gerichtlic­hen Bestellung von Erwachsene­nvertreter­n sind seit Inkrafttre­ten des neuen Erwachsene­nvertreter­gesetzes im Vorjahr rückläufig, ohne dass wir jetzt konkrete Zahlen dazu nennen können“, berichtet Andrea Kahlhammer und erklärt den Hintergrun­d für diese Entwicklun­g: „Bis zu diesem Zeitpunkt lag es im Ermessen der Gerichte, uns bei der Abklärung, ob eine gerichtlic­he Erwachsene­nvertretun­g nötig ist, für eine Sozialanam­nese beizuziehe­n. Durch das neue Gesetz sind wir jetzt verpflicht­end beizuziehe­n, und in vielen Fällen finden wir Alternativ­en wie die Unterstütz­ung durch Erwachsene­nsozialarb­eit oder Wohnassist­enten – oder etwa Unterstütz­ung durch Angehörige, um selbstbest­immt Entscheidu­ngen treffen zu können.

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