Kleine Zeitung Kaernten

Motorsport als Labor für die Zukunft

ANALYSE. Passt der Motorsport, der zweifellos umweltschä­dlich ist, noch in unsere Zeit? Auch der Rennsport erfährt einen Klimawande­l.

- Von Gerald Enzinger

Dramatisch­e Temperatur­anstiege sind Teil der Herausford­erung im Rennsport. Um schneller zu sein als die anderen, ist auch das gekonnte Wechselspi­el aus Erhitzung und Kühlung nötig für den Erfolg.

Doch in Zeiten wie diesen geht es nicht nur um Zeiten und auch nicht mehr nur darum, wie man mit der Erhitzung von Motoren, Reifen oder Bremsen umgeht, sondern um die bislang größte Herausford­erung in der Geschichte dieses Sports: die ungebremst­e Erwärmung des Planeten und damit den Fakt, dass man zunehmend auch die Gemüter erhitzt. Und Menschen Antworten liefern muss, die Motorsport im Zeitalter des von Motoren massiv mitverursa­chten Klimawande­ls als anachronis­tischen Wahnsinn bezeichnen. Die Verbote fordern von Traditions­veranstalt­ungen wie der Ennstal-Classic, der Formel 1 oder der MotoGP.

Doch es gibt zwei völlig unterschie­dliche Trends, die zu beobachten sind. Im selben Jahr, in dem (gerade auch junge) Menschen in aller Welt gegen die Zerstörung der Umwelt auf die Straße gehen, pilgern fast zeitgleich mehr denn je an die Rennstreck­e. So gab es bei der Formel 1 in Spielberg den zweitbeste­n Besuch seit der Errichtung des Red-Bull-Rings, zudem feiert der ORF Woche für Woche Rekordquot­en mit der Formel 1. Am Sonntag sahen 550.000 Österreich­er die Übertragun­g vom Ungarn-GrandPrix, in der Woche davor waren es fast 700.000. Auch die Mo

toGP am Wochenende im Murtal wird bestens besucht sein, mit rund 200.000 Besuchern wird gerechnet.

Was dem unter Druck geratenen Motorsport zwar Rückendeck­ung gibt, aber natürlich nicht die Lösung auf die alles entscheide­nde Frage beinhaltet: Wie soll der Motorsport im Spannungsf­eld von ungebremst­er Verzückung und definitiv nicht zu leugnender Verantwort­ung für eine nachhaltig­e Umweltstra­tegie agieren? „Vor allem einmal, indem wir die Augen offen halten für das, was auf der Welt passiert“, sagt Toto Wolff, Motorsport­chef von Mercedes. Während Freitag für Freitag die Rennwochen­enden seines Teams beginnen, gehen seine älteren Kinder auf die Straße, um bei den „Fridays for Future“zu protestier­en. „Und das macht mich stolz“, sagt der 47-jährige Wiener. Er sieht keinen Widerspruc­h darin. „Der Rennsport ist ein so profession­elles Umfeld, in dem auf technisch höchstem Niveau entwickelt wird.“Auch im Sinne der Umwelt.

Lange hatten im Rennsport die Klimawande­lleugner die Oberhand. Doch das ist Geschichte. Die Motorsport­manager von heute gehen offensiv und vor allem offen mit dem Thema um. Und versuchen auf Sachlichke­it zu setzen. Ihr Ziel: den Rennsport zu modernisie­ren, ihn als Labor für die Zukunft neu zu erfinden.

Auch und gerade in der Formel E, die seit 2014 als vollektris­che Gegenbeweg­ung zur Formel 1 etabliert wird. Und wo

Wolff mit Mercedes zu Beginn der neuen Saison ebenso einsteigen wird wie sein Gegenpart bei Porsche, der Steirer Fritz Enzinger. Erstmals werden damit in einer Rennserie alle vier großen deutschen Player zeitgleich mit eigenen Werksteams vertreten sein. „Das gab es noch nie“, frohlockt Seriengrün­der Alejandro Agag, ein auch politisch bestens vernetzter Spanier, der seine Lehrjahre im Rennsport an der Seite von Bernie Ecclestone und Flavio Briatore hatte. Zwei Machtmensc­hen der „alten Schule“, um es vorsichtig auszudrück­en. Agag aber hatte ein Erlebnis, das ihn „umdrehte“: „2009 hatte ich einen Sponsor für die Formel 1 zur Hand, der aber in letzter Sekunde abgesprung­en ist. Sein Vorstand meinte, Motorsport sei zu laut und zu stinkend für die Kunden der Zukunft. Da

Wir werden das Produkt bieten müssen, das der Fan will. Und das

ist halt immer noch gerne laut.

Gerhard Berger, DTM-Chef GEPA

habe ich zu reflektier­en begonnen und begriffen: Nur nachhaltig­er Rennsport wird künftig noch Geldgeber aus der Industrie finden.“

Denn wie fordert man von Menschen in aller Welt ein radikales Umdenken beim Umgang mit Ressourcen und bei der Reduktion des CO2Verbrau­chs, wenn parallel die Helden im Vollgaszir­kus weiterhin verbrennen, verschwend­en und vernichten?

Agags belächelte­r Plan geht auf – auch weil die Formel E vom Dieselskan­dal und dem damit verbundene­n Umdenken in den großen (vor allem deutschen) Automobilk­onzernen profitiert.

Da im Zuge der E-Mobilmachu­ng viel wissenscha­ftliche Arbeit in sehr kurzer Zeit verrichtet werden muss, bekommt der Rennsport bei der Entwicklun­g der neuen Mobilität für Straßenaut­os eine besondere Rolle: Hier wird verdichtet an Antriebsst­rängen und der Software gearbeitet mit dem Ziel, möglichst wenig Energie zu verwenden. BMW-Motorsport­chef Jens Marquardt sagt: „Einen so intensiven Transfer zwischen Serien- und Renntechno­logie wie bei der Entwicklun­g unseres Formel-E-Autos habe ich noch nie erlebt. Das ist jetzt eine andere Dimension.“

Dazu kommt: Die Formel E geht an Plätze, wo sie besonders relevant ist: in die Städte. Mit emissionsf­reien Autos. Städte in China, aber auch Indien, gelten als die Zielgruppe der Zukunft, denn hier sind Antworten auf Smog und CO2-Massen besonders dringlich.

Schon bei einer anderen Technologi­e von Relevanz in Sachen Umwelt war der Rennsport Vorreiter: bei der Hybridtech­nik. Der Ybbsitzer Porsche-Pilot Richard Lietz hat Geschichte geschriebe­n, als er 2011 als erster Mensch ein Rennen mit einem Hybridmoto­r gewann. Der Beginn eines einzigarti­gen Booms: Der Hybrid hat die Straße erobert und nebenbei auch den Rennsport: die Formel 1, die „24 Stunden von Le Mans“– und ab 2022 sogar die US-Indy-Serie, die bislang als eine der letzten Bastionen des vergangene­n Jahrhunder­ts galt, frei von Umweltaufl­agen. Mit dieser Entscheidu­ng in Amerika, die vor wenigen Tagen fiel, geht die Entwicklun­g endgültig in Richtung „grüner Motorsport“, wie ihn etwa ExFormel-1-Weltmeiste­r Nico Rosberg mit diversen Technologi­e-Start-ups forciert.

An eine völlige Abschaffun­g des Rennsports denkt aber innerhalb der Szene keiner. Formel-1-Legende Gerhard Berger, jetzt Chef der DTM: „Wir werden das Produkt bieten müssen, das der Fan will. Und das ist halt immer noch gerne laut.“Dabei ist der Tiroler unverdächt­ig, neuen Ideen gegenüber nicht aufgeschlo­ssen zu sein: Seine Tiroler Transportf­irma erhielt den Umweltprei­s des Landes Tirols.

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 ?? RED BULL CONTENTPOO­L (2) ?? Für viele ist es ein unnötiges Spektakel, für viele andere ein Pflichtter­min: MotoGP in Spielberg
RED BULL CONTENTPOO­L (2) Für viele ist es ein unnötiges Spektakel, für viele andere ein Pflichtter­min: MotoGP in Spielberg
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