Kleine Zeitung Kaernten

Die Justiz beschäftig­tsich selbst

Der Anzeigerei­gen zwischen Ministeriu­m und Staatsanwä­lten ist um eine Facette reicher: Eine neue Anzeige wirft Sektionsch­ef Pilnacek Nötigung vor.

- Von Georg Renner

Der Abend des 18. Mai war ein betriebsam­er in der Führungset­age der österreich­ischen Justiz – und das, obwohl es ein Samstag war. Einen Tag zuvor war das Ibiza-Video veröffentl­icht worden. Um 21 Uhr an diesem Samstag erteilte die Oberstaats­anwaltscha­ft Wien der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) per Weisung den Auftrag, „Erkundigun­gen“rund um die Korruption­svor

würfe einzuholen, die sich aus dem Video ergeben. Wie der „Standard“berichtet, hatten Justiz-Insider dadurch den Eindruck, die WKStA sei durch diese Weisung ausgebrems­t worden – hatte sie doch bereits einen Anfangsver­dacht, der für die Aufnahme von Ermittlung­en reichte. Am Montag wurden die Ermittlung­en dann getrennt – die WKStA sollte sich um etwaige illegale Parteienfi­nanzierung kümmern, die Staatsanwa­ltschaft Wien nach den Urhebern des Videos suchen.

war an diesem Samstagabe­nd aber auch der damalige Generalsek­retär des Ministeriu­ms und Chef der Strafrecht­ssektion, Christian Pilnacek – und zwar auch in eigener Sache.

Der Kleinen Zeitung zugetragen­en Unterlagen zufolge hat Pilnacek an besagtem Abend gegen halb elf eine Mail an Alexander Pirker, Sektionsch­ef der Präsidials­ektion, geschriebe­n – in der er Pirker ersucht, Anzeige gegen fünf Staatsanwä­lte der WKStA zu erstatten. Es ging um die Dienstbesp­rechung in der Causa Eurofighte­r am 1. April, in der Pilnacek die langwierig­en Ermittlung­en mit den denkwürdig­en Worten „daschlogts es“kritisiert hatte.

Die Staatsanwä­lte der WKStA in dieser Besprechun­g zeigten auf Basis eines Mitschnitt­s ihre Vorgesetzt­en, allen voran den damaligen Generalsek­retär, wegen des Verdachts der versuchten Anstiftung zum Amtsmissbr­auch an. Dieses Verfahren wurde eingestell­t. Die Oberstaats­anwaltscha­ft revanchier­te sich – und brachte eine Gegenanzei­ge gegen einige Organe der WKStA ein, sie dürfte ebenfalls eingestell­t werden.

Es dürfte nicht die letzte Anzeige von Justiz-Insidern gegeneinan­der bleiben: Pilnaceks Mail vom 18. Mai ist Teil einer neuerliche­n Anzeige eines Justiz-Mitarbeite­rs, die diese Woche bei der Staatsanwa­ltschaft

Wien einlangen wird.

Pilnacek formuliert in der Mail dramatisch: „Ich erwarte mir zur vollständi­gen Wiederhers­tellung meiner Ehre eine Anzeige (...) gegen diejenigen, die das ‚Protokoll‘ unterferti­gt haben!“Er deutet aber auch an, eine Unterlassu­ng einer Anzeige könnte Amtsmissbr­auch durch Unterlassu­ng sein.

Weil Pirker aber gar keine Pflicht zu einer Anzeige gehabt hätte, habe Pilnacek durch „Drohung mit einer grundlosen Strafanzei­ge“eine Nötigung begangen, heißt es in der neuen, anonymen Anzeige. Aus dem Justizress­ort und von Pilnacek kommt dazu am Dienstag keine Reaktion. „Wir geben zu internen Abläufen keine Stellungna­hme ab“, so eine Sprecherin.

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AP, APA Im Justizmini­sterium brodelt es. Im Zentrum der Vorgänge: Christian Pilnacek
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