Eine Autorin für Gourmets
Abschied vom „Gewissen Amerikas“. Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison starb im Alter von 88 Jahren.
Toni Morrison galt als eine der wichtigsten Schriftstellerinnen der Welt und als das „Gewissen Amerikas“, ihre Werke verkauften sich weltweit millionenfach. 1993 gewann sie den Literaturnobelpreis – als erste Afroamerikanerin überhaupt. Nun ist sie im Alter von 88 Jahren verstorben.
„Beim Schreiben bin ich frei von Schmerzen“, erklärte die große, selbstbewusste Frau mit den dichten grauen Haaren, die zuletzt im Rollstuhl saß. „Das ist der Ort, an dem ich lebe, an dem ich die Kontrolle habe, wo niemand mir sagt, was ich machen soll, wo meine Kreativität fruchtbar ist und ich am allerbesten bin.“Ihre Schreibweise verglich sie gerne mit der Kunst einer Gourmetköchin. „Ich schreibe so, dass der Leser meine Worte lustvoll genießen kann, kostet, dann pausiert und schließlich weiterschwelgt.“
Alles hatte 1970 mit „Sehr blaue Augen“begonnen, dem Buch, das sie immer habe lesen wollen, das es aber noch nicht gab, wie Morrison gerne
betonte. Also stand die geschiedene alleinerziehende Mutter zweier kleiner Söhne jeden Morgen um vier Uhr auf und schrieb es. Danach ging sie zu ihrem Job als Lektorin in einem großen Verlagshaus. „Sehr blaue Augen“wurde ein Bestseller. Es folgten weitere bedeutsame Romane wie „Sula“, „Salomons Lied“, „Teerbaby“, der Sklavenroman „Menschenkind“, „Jazz“und das 500-SeitenWerk „Paradies“, das viele Kritiker für ihr bestes halten. Nebenbei lehrte die 1931 in der Kleinstadt Lorain in Ohio geborene Autorin lang an der Eliteuniversität Princeton kreatives Schreiben.
Morrison, die 2010 einen Schicksalsschlag erlitt, als einer ihrer Söhne an Krebs starb, war stets politisch. Die wortgewaltige Autorin, die eine enge Freundschaft zum ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama pflegte, hatte schon seit Jahrzehnten speziell den Rassismus in ihrem Land angeklagt: „Wer nur groß ist, weil der andere auf den Knien ist, der hat ein ernstes Problem“, sagte sie einmal.