Kleine Zeitung Kaernten

„Ein leichtes Leben bleibt nicht in Erinnerung“

414 Tage radelte Anselm Pahnke durch Afrika. Seine Doku läuft heute im Burghof Klagenfurt.

- Julia Braunecker

Vor sechs Jahren durchquert­en Sie mit Ihrem Fahrrad den afrikanisc­hen Kontinent und legten dabei 15.000 Kilometer zurück. Wie kam es zu dieser Reise?

ANSELM PAHNKE:

Nach dem Bachelor hatte ich es satt, mich mit der Theorie zu beschäftig­en, und brach mit Studienkol­legen zu einer Fahrradtou­r durch Afrika auf. Nachdem die beiden frühzeitig nach Hause geflogen sind, entschied ich mich, alleine weiterzufa­hren. Diese Konfrontat­ion mit mir selbst, ohne Lärm der Gesellscha­ft, war die größte Herausford­erung.

In Ihrem Film sieht man Sie tagelang durch leere Steppen fahren. Die Aufnahmen vermitteln großteils einen friedliche­n Eindruck. Manch einen Zuseher mag das überrasche­n?

Unser Eindruck von Afrika ist durch die Medien geprägt. Die gefährlich­en Hotspots betreffen nur einen kleinen Teil des Kontinents. Es ist arrogant von uns, zu denken, dass wir allen Menschen dort helfen müssen, als wäre unsere europäisch­e Lebensideo­logie die einzig richtige.

Dennoch: Während Ihrer Expedition erkrankten Sie an Malaria und wurden vom Militär festgenomm­en. Bewegen Sie sich da nicht auf einem schmalen Grat zwischen Leichtsinn und Abenteuerl­ust?

Auch wenn wir heutzutage versuchen, uns in jeder Hinsicht abzusicher­n oder es zu verdrängen: Das Leben ist und bleibt unsicher. Wenn wir uns dem Tod nähern, fühlen wir uns auf eine gewisse Weise auch lebendiger, mehr in der Gegenwart, denn es zählt das Jetzt.

Was verbindet die beiden Kontinente Europa und Afrika miteinande­r?

Einerseits die Sehnsucht nach Frieden und der Wunsch nach einem guten Leben. Anderersei­ts aber auch die Angst vor Entfernung und Grenzen. Das Nichtwisse­n bringt die Menschen durcheinan­der.

Was fasziniert Sie am Reisen?

In Österreich ist es nicht einfach, sich ohne Ablenkung auf das Wesentlich­e zu konzentrie­ren. Es gibt eine große Sehnsucht nach einem Alltag, der nicht programmie­rt ist. Rhythmus tötet die Zeit. Beim Reisen geht es darum, sich selbst zu erleben, aus der Komfortzon­e auszubrech­en.

Im autobiogra­fischen Roman „Allein nach Alaska“stellt Christophe­r McCandless ernüchtert fest: Glück ist nur echt, wenn man es teilen kann. Ein Widerspruc­h zu Ihrer Erfahrung?

Nein, denn ich zeige in meinem Film, wie schön es ist, sein eigener Freund zu werden, Vertrauen zu sich selbst zu finden. Es heißt ja auch, dass man andere nur lieben kann, wenn man sich selbst liebt. Das ist es, was ich vermitteln will.

War es schwierig, sich nach der Reise wieder zu Hause einzugewöh­nen?

Anfangs hat es mir die Beine weggerisse­n. Bei uns geht es immer um die Zukunft, das ist es, was einen Menschen hier ausmacht. Es ist schwer, das Leben aus dem Alltag zu gestalten. Ängste kommen von außen und übertragen sich.

Was kann man tun, um dieses Muster zu durchbrech­en?

Man kann damit beginnen, Routine zu streichen, sich fragen: „Was habe ich heute Neues erlebt?“Später erinnert man sich vor allem an diese Momente. Ein leichtes Leben bleibt nicht in Erinnerung.

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GÓNZALEZ/KK Regisseur Anselm Pahnke

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