Die Macht im Kreml
Heute vor 20 Jahren ernannte der damalige russische Präsident Boris Jelzin seinen Geheimdienstchef Wladimir Putin zum Premier.
Die historischen Bilder zeigen einen schmächtigen Mann. Mit seinen 46 Jahren steht er wie ein Schüler vor dem übermächtig wirkenden, einen halben Kopf größeren Präsidenten Boris Jelzin. Es ist der 9. August 1999, und Jelzin hat Wladimir Putin, den scheinbar so unscheinbaren Chef des Geheimdienstes FSB, soeben zum russischen Premier ernannt.
Wohl kein Beobachter der Kremlzeremonie ahnt in diesem Moment, dass er Weltgeschichte live miterlebt. Doch so ist es. Denn in Wahrheit ist Jelzin schwach, nicht Putin.
Der Petersburger Arbeitersohn, der Jus studiert und beim KGB Karriere gemacht hat, ergreift die Chance. Er führt Krieg in Tschetschenien und erwirbt sich erste Popularität. Pünktlich zur Jahrtausendwende legt der herzkranke, von der Liebe zum Wodka gezeichnete Jelzin das Schicksal Russlands in die Hände Putins. Anfangs
halten viele in Moskau den neuen Präsidenten noch für leicht lenkbar. Doch das erweist sich als grandioser Irrtum.
Heute, 20 Jahre später, ist Putin nicht nur einer der erfahrensten, sondern längst auch einer der mächtigsten Staatenlenker weltweit.
Anfangs
setzte Putin, der als KGB-Offizier in der DDR gedient und Deutsch gelernt hatte, auf eine Annäherung an den Westen. Zwei Wochen nach den Terroranschlägen in New York trat Putin im Deutschen Bundestag ans Mikrofon und bot „in der Sprache von Goethe, Schiller und Kant“eine neue Partnerschaft zwischen Ost und West an. „Wir tun dies als ein Volk, das gute Lehren aus dem Kalten Krieg und der verderblichen Okkupationsideologie gezogen hat.“Unter dem Strich schlug Putin nichts Geringeres als Russlands Integration in Europa vor, ohne „den großen Wert der Beziehungen zu den USA in Zweifel zu ziehen“. Abgeordnete aller Parteien applaudierten stehend. Doch dann änderte er Einstellung wie Stil. Als sich Putin, der die Präsidentschaft aus verfassungstechnischen Gründen für vier Jahre an seinen Vertrauten Dmitri Medwedew übergeben hatte, im Frühjahr 2012 zur Wiederwahl stellte, protestierten Zehntausende. Putin zeigte Zähne, die Gegner wurden verprügelt. In der Außenpolitik hat er alle Bemühungen um eine Annäherung an den Westen aufgegeben, wie sich spätestens 2014 zeigte, als russische Truppen die ukrainische Krim eroberten. Es folgten die völkerrechtswidrige Annexion der Schwarzmeerhalbinsel und ein Krieg, den prorussische Söldner in der Ostukraine entfachten. „Wir haben uns die Krim zurückgeholt“, kommentierte Putin.