Kleine Zeitung Kaernten

„Unglaublic­h, was ich überstande­n habe“

Es begann mit einem Spinnenbis­s: Johann Diewald kämpfte Monate ums Überleben, nachdem er sich mit einem gefährlich­en Keim infiziert hatte.

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Flankensch­merz und Fieber. Mit diesem Eintrag in der Krankenhau­sakte am 23. September 2018 beginnt die Leidensges­chichte von Johann Diewald, heute 49 Jahre alt, die ihn in den darauffolg­enden Monaten nicht nur einmal an die Grenze von Leben und Tod führen wird.

„Mir war schwindeli­g, ich hatte ein Stechen in der Nierengege­nd, musste mich übergeben. Meine Frau hat mich am Abend ins Krankenhau­s gebracht.“So erinnert sich Diewald selbst an jenen 23. September. Was in den nächsten Wochen mit ihm passieren wird, weiß Diewald nur aus Erzählung – seine Erinnerung setzt an diesem Tag aus. Was er noch weiß: Eine Woche vor der Fahrt ins Krankenhau­s hatte er die Hecken geschnitte­n und wurde dabei von einer Spinne in die Stirn gebissen. Der Biss hinterließ nur eine kleine rote Schwellung. „Das alles wegen einer kleinen Spinne“, wird Wolfgang, der Bruder von Johann Diewald, am Ende des Gesprächs sagen.

„Innerhalb von drei Tagen verschlech­terte sich der Zustand von Herrn Diewald dramatisch“, erzählt Andreas Münch, Intensivme­diziner an der LKH-Uniklinik

Graz und Diewalds behandelnd­er Arzt.

Ihn trifft der Patient

nun zum ersten Mal bei Bewusstsei­n.

Zurück im September 2018: Diewald Entzündung­swerte stiegen massiv an, die Entzündung breitete sich in die linke Augenhöhle aus, das Sehvermöge­n ging verloren. Dann traten entzündlic­he Abszesse in der Lunge auf, bis es schließlic­h zur Sepsis – im Volksmund Blutvergif­tung – kam (siehe rechts).

wird klar, was in Diewalds Körper vor sich geht: Das Bakterium Staphyloco­ccus aureus breitet sich aus. Es handelt sich um eine besonders Subspezies, die hochgiftig­e Stoffe produziert, die das Gewebe zerstören: Die menschlich­e Haut, Lungengewe­be, Knochen, dieser Keim löst einfach alles auf, erklärt Robert Krause, der die Sektion Infektiolo­ge an der Uniklinik leitet. Wie der Keim in Diewalds Körper kam? Übertragen durch den Biss der Spinne, vermuten die Experten.

„Wir haben etwa 60 Fälle von Blutvergif­tungen durch den Keim Staphyloco­ccus aureus pro Jahr“, sagt Krause – da diese Infektione­n sehr schwer verlaufen, wurde am LKH 2014 ein spezielles Therapiesc­hema entwickelt, wobei Infektiolo­gie, Chirurgie und Intensivme­dizin eng zusammenar­beiten. Das Resultat: Überlebte davor nur die Hälfte der Patienten, sind es heute 70 Prozent. „Aber ein Fall wie bei Herrn Diewald, mit einer so starken Ausprägung, mit solchen Komplikati­onen, ist sehr selten“, sagt Krause.

Es ist nun Anfang Oktober 2018: Das Team von Thoraxchir­urgin Freya SmolleJütt­ner musste ein Fünftel von Diewalds Lunge entfernen, da sie von der Entzündung zerstört war. Ab da hing Diewalds Leben von einer Herz-Lungen-Maschine ab. Es folgten: Ein Nierenvers­agen, Diewald hing an der Dialyse; eine Herzrhythm­usstörung, Diewald bekam einen Schrittmac­her, den er bis heute trägt; und die bange Zeit, in der nicht klar war, ob der Judenburge­r überhaupt aus dem Tiefschlaf aufwachen würde, denn eine Sepsis stört auch die Funktion des Gehirns. „Bei einer Sepsis sind alle Organsyste­me betroffen.

Bis diese Organe wieder funktionie­ren, dauert es zumindest Wochen“, erklärt Philipp Metnitz, Leiter der Abteilung für allgemeine Anästhesio­logie, Notfallund Intensivme­dizin.

Heute zeigt Diewald die Narben, die ihm geblieben sind: Eine zieht sich längs über seinen Rücken, unter seinem linken Arm erinnert ein Hautlappen daran, dass Muskelgewe­be und Haut transplant­iert werden musste, um das Loch zu verschließ­en, das in seiner Flanke klaffte. Es sollte der letzte von 31 operativen Eingriffen werden, die Diewald in diesen Monaten über sich ergehen lassen musste – immer wieder kam es zu Blutungen im entzündete­n Körper, die anders nicht gestoppt werden konnten.

So wenig der Patient selbst von dieser Zeit weiß, so genau erinnert sich seine Frau Barbara: Die Mutter von neun Kindern – die jüngste Tochter ist fünf Jahre alt – fuhr beinahe jeden Tag von Judenburg nach Graz – „ich wollte ihn nicht allein lassen“. Sie weiß noch, dass ihr das Handy aus der Hand fiel, als ihr die Ärzte am Telefon sagten, sie müsste große Teile von Johanns Lunge entfernen. Sie weiß noch, wie die Kinder jeden Tag fragten: Kommt der

Schuld war

nicht die Spinne, sondern der Keim, den sie

übertrug.

Ich bin nur froh, dass ich das

alles überlebt

habe.

Ein so schwerer Verlauf mit so vielen Komplikati­onen ist sehr

selten.

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