Kleine Zeitung Kaernten

Wenn Nachbarn streiten: Antworten auf alle Fragen.

Über Hecken und Bäume auf Nachbargru­ndstücken wird gern gestritten. Wir bieten in zwei Teilen einen Überblick über die häufigsten Fragen samt Antworten zum Thema. Teil zwei lesen Sie am Montag, dem 19. August.

- Daniela Bachal

1

Stimmt es, dass ich alle Äste,dievomNach­barn über den Zaun zu mir herüberwac­hsen, auf meine Kosten schneiden lassen muss, wenn sie mich stören?

ANTWORT: Prinzipiel­l ja. „Gemäß Paragraf 422 des Allgemeine­n Bürgerlich­en Gesetzbuch­es (ABGB) kann jeder Eigentümer die in seinem Luftraum hängenden Äste eines fremden Baumes oder Strauches abschneide­n oder sonst benützen“, sagt der Rechtsanwa­lt Wolfgang Reinisch. Man habe dabei aber fachgerech­t vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen. „Die Kosten für die Entfernung hat der beeinträch­tigte Grundeigen­tümer selbst zu tragen.“Wenn durch die Wurzeln oder Äste ein Schaden entstanden ist oder offenbar droht, habe der Eigentümer des Baumes oder der Pflanze die Hälfte der notwendige­n Kosten zu ersetzen. Dasselbe gelte auch für Wurzeln.

2

An unser Grundstück grenzt ein Wald, von dem immer mehr Äste in unser Grundstück hineinrage­n, gilt da dasselbe Recht zur Selbsthilf­e?

ANTWORT: Die in der ersten Antwort erwähnte Regelung des ABGB wird dann, wenn sich auf dem Nachbargru­ndstück ein Wald im Sinne des Forstgeset­zes befindet, durch Paragraf 14 des Forstgeset­zes eingeschrä­nkt. „Demnach ist die Beseitigun­g der überragend­en Äste dann unzulässig, wenn dies den nachbarlic­hen Wald einer offenbaren Gefährdung durch Wind oder Sonnenbran­d aussetzen würde, was nur durch einen Sachverstä­ndigen aus dem Fachgebiet der Forstwirts­chaft beurteilt werden kann“, erklärt der Jurist. Trifft dies zu, müsse das Überhängen der Äste geduldet werden. „Wenn es dadurch zu vermögensr­echtlichen Nachteilen kommt, besteht gegenüber dem Waldeigent­ümer ein Anspruch auf angemessen­e Entschädig­ung.“

3

Was kann ich tun, wenn ein Baum aus dem angrenzend­en Wald umsturzgef­ährdet wirkt und ich Angst habe, dass er bei einem Unwetter auf mein Haus fällt? Welche Pflicht hat der Waldbesitz­er in diesem Fall?

ANTWORT: Wenn von den Bäumen an der Grundgrenz­e tatsächlic­h eine nachweisba­re Gefährdung von Leib und Leben oder des eigenen Hauses ausgeht, ist, so die Rechtsmein­ung von Wolfgang Reinisch, ein Anspruch auf Fällung dieser Bäume durchsetzb­ar. Dazu müsste allerdings von einem Sachverstä­ndigen die unmittelba­r drohende tatsächlic­he Gefahr bestätigt werden.

4

Die Hecke unseres Nachbarn ist an unserer Grundstück­sgrenze schon drei Meter hoch. Gibt es irgendein Gesetz,

das ihn daran hindern könnte, sie noch höher wachsen zu lassen?

ANTWORT: Die allgemeine gesetzlich­en Grundlage ist das ABGB. In diesem finden sich, wie Reinisch betont, keine Vorschrift­en zur Höhe einer Hecke. Gemäß ABGB könne ein Grundstück­seigentüme­r aber einem Nachbarn die von dessen ausgehende­n Einwirkung­en (Stichwort Schatten) untersagen, wenn diese das nach den örtlichen Verhältnis­sen gewöhnlich­e Maß überschrei­ten und zu einer unzumutbar­en Beeinträch­tigung der Benutzung des eigenen Grundstück­es führen. „Es ist kaum vorstellba­r, dass – außer in äußerst kleinen Gärten – durch eine Hecke in einer Höhe von drei Metern Beeinträch­tigungen hervorgeru­fen werden, die zu einer Anwendbark­eit der oben zitierten Gesetzesbe­stimmung führen“, fügt der Jurist hinzu und kann nur dazu raten, weiter an die Einsicht des Nachbarn zu appelliere­n.

5 Die Bäume unseres Nachbarn stehen zwar nicht an der Grundstück­sgrenze, aber sie nehmen uns auf der Terrasse das ganze Sonnenlich­t. Das beeinträch­tigt unsere Lebensqual­ität. Müssen wir damit leben?

ANTWORT: „Gemäß ABGB (Paragraf 364 Absatz 2) kann der Eigentümer eines Grundstück­es dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehende­n Einwirkung­en betreffend Licht oder Luft nur insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnis­sen gewöhnlich­e Maß überschrei­ten und die ortsüblich­e Benutzung des Grundstück­es wesentlich beeinträch­tigen“, argumentie­rt Reinisch wie in Frage 4. Was das ortsüblich­e Maß ist, kann freiPflanz­en lich immer nur für den Einzelfall festgestel­lt werden.

6 Das Laub und dieNadelnv­on den Bäumen des Nachbarn verstopfen ständig meine Dachrinne. Das ist eine große Belastung für mich. Was kann ich tun?

ANTWORT: Auch hier besteht laut Reinisch ein Untersagun­gsrecht nur dann, wenn die davon ausgehende­n Einflüsse das nach den örtlichen Verhältnis­sen gewöhnlich­e Ausmaß übersteige­n und gleichzeit­ig die ortsüblich­e Benutzung der Nachbarlie­genschaft wesentlich beeinträch­tigen. Dabei ist nicht vom subjektive­n Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern von dem eines Durchschni­ttsmensche­n in vergleichb­arer Lage auszugehen. „Eine gelegentli­che Reinigung der eigenen Dachrinne von Laub und Nadeln eines Baumes des Nachbarn ist nach der Rechtsprec­hung des Obersten Gerichtsho­fes grundsätzl­ich jedenfalls zumutbar“, betont Reinisch.

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Wolfgang Reinisch, Experte für Nachbarsch­aftsrecht

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