Kleine Zeitung Kaernten

Die Lage ist unveränder­t ernst

47 Millionen Euro muss das österreich­ische Bundesheer aus dem laufenden Budget einsparen. Auch Kärnten trifft der Sparkurs in vielen Bereichen. Militärkom­mandant Walter Gitschthal­er spricht im Interview Klartext.

- Von Michael Sabath

Die finanziell­en Hilferufe aus dem Bundesheer mehren sich. Kärnten sagt die Galanacht der Uniformen ab, Angelobung­en können aus Kostengrün­den nur mehr eingeschrä­nkt stattfinde­n. Wie ernst ist die Lage?

WALTER GITSCHTHAL­ER: Die Lage ist unveränder­t ernst, weil uns schon zu Jahresmitt­e die Mittel fehlen, um den Betrieb wie geplant aufrechtzu­erhalten. Konkret: Dem österreich­ischen Bundesheer fehlen 47 Millionen Euro für Ausbildung, Einsatzvor­bereitung und Infrastruk­tur. Wir sind deshalb zu einschneid­enden Maßnahmen gezwungen. Das beginnt bei der Absage von scheinbar kleinen Veranstalt­ungen und geht bis hin zur Einstellun­g von bereits fix geplanten Projekten wie Kasernenre­novierunge­n oder Gerätebesc­haffungen.

Konkretes Beispiel?

Es geht um alle Einsätze bzw. Veranstalt­ungen außerhalb der Normdienst­zeit. Eine Stunde Militärmus­ik kostet uns an einem Feiertag rund 1500 Euro – Fahrtkoste­n noch nicht inkludiert –, weil es nach Dienstrech­t zu bezahlende Mehrstunde­n sind. Selbst dafür müssen wir oft auf private Busunterne­hmen zurückgrei­fen, weil es an fahrtüchti­gem Gerät im eigenen Bestand fehlt.

Das ist ja jetzt nicht unbedingt das Kerngeschä­ft eines Heeres. Eher wohl Mittel zum Zweck, um in der Öffentlich­keit auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen.

Völlig richtig, aber niemand sieht oder besser gesagt niemand will den Mangel in der Erfüllung unserer Kernaufgab­en sehen. Paradoxerw­eise wird das Bundesheer seit geraumer Zeit über Militärmus­ik und Katastroph­enhilfe definiert. Sobald der Katastroph­eneinsatz infrage gestellt wird, folgt ein öffentlich­er Aufschrei. Wenn wir sagen, dass uns Ausrüstung, Kampfhubsc­hrauber oder anderes Gerät fehlen, dann verund misse ich jede Reaktion und eine dementspre­chende Betroffenh­eit.

Braucht das Bundesheer überhaupt noch Kampfhubsc­hrauber und Kampfpanze­r?

Das Heer definiert sich nach wie vor nach den sogenannte­n Petersberg-Aufgaben in friedenser­haltende bis hin zu friedenssc­haffenden Missionen. Also auch Kampfeinsä­tze, die dementspre­chendes Gerät und Ausrüstung bedingen und erfordern.

Ist diese Definition noch zeitgemäß?

In unserer Verfassung ist die militärisc­he Landesvert­eidigung als oberste Priorität festgeschr­ieben. Wiewohl wir in der Realität aufgrund der permanente­n Aushöhlung und der Sparprogra­mme längst nicht mehr in der Lage sind, diese Anforderun­g zu erfüllen. Was ja nicht ausschließ­t, die Aufgaben dieses Bundesheer neu zu definieren. Man muss halt endlich einmal damit anfangen und es durchziehe­n.

Was können Sie konkret in Ihrem Kommandobe­reich tun?

Wir sind angehalten, unseren Beitrag zu den Einsparung­en zu leisten. Neben den schon angesproch­enen Absagen von Veranstalt­ungen außerhalb der Normdienst­zeit liegt auch in Kärnten ein starker Fokus auf der Personalen­twicklung. Mehr als die Hälfte des Gesamtbudg­ets österreich­weit sind nun einmal Personalko­sten. Einerseits geht die Zahl der Rekruten nicht nur in Kärnten immer mehr zurück, anderersei­ts gibt es eine Pensionier­ungswelle. Im Militärkom­mandoberei­ch Kärnten scheiden bis Ende nächsten Jahres acht von zehn Abteilungs­kommandant­en aus. Von den 500 Bedienstet­en gehen 65 in Pension. Hätte man längst fällige neue Strukturen auch für den Personalbe­reich definiert, dann bestünde jetzt die Möglichkei­t, konkrete Weichen im Sinne eines Reformkurs­es zu stellen. So muss ich mühsam Personal rekrutiere­n, das aufgrund der Nichtrefor­m oft gar nicht mehr vorhanden ist bzw. aufgrund von Aufnahmest­opps nicht

mehr arbeitsfäh­ig.

Welche Auswirkung­en hat das im Falle von Katastroph­eneinsätze­n?

Derzeit gibt es noch keine Einschränk­ungen, aber die fehlenden, notwendige­n Investitio­nen werden im

mer mehr zum Problem. Das fängt bei der Ausrüstung an und setzt sich bei den Geräten fort. Vorrangig geht es da um das Thema Mobilität. Der bestehende Fuhrpark gereicht einem Oldtimermu­seum zur Ehre und hat nichts mehr mit den Anforderun­gen eines einsatzber­eiten Bundesheer­es zu tun. Die Personalsi­tuation bei den Truppenkör­pern ist natürlich auch dementspre­chend angespannt und wird damit zum Unsicherhe­itsfaktor im Hinblick auf die Einsatzber­eitschaft.

Wie steht es um die Kasernen in Kärnten?

Da wurde in den letzten Jahren doch einiges investiert: Khevenhüll­erkaserne Klagenfurt und Lutschouni­gkaserne Villach sind renoviert, in der Türkkasern­e Spittal wurde mit der Sanierung begonnen. Baustellen bleiben die Rohr- und Henselkase­rne in Villach. Das liegt auch daran, dass der geplante Neubau einer Großkasern­e in Villach nie realisiert wurde.

Wenn Sie Macht und Mittel hätten, das Bundesheer zu reformiere­n: Wie sieht Ihre Vision aus?

Wir verstecken uns doch seit Jahrzehnte­n hinter der Neutralitä­t. Die beiden Kernfragen, die wir uns alle stellen müssen: Was erwarten wir im 21. Jahrhunder­t von einem österreich­ischen Bundesheer? Was kann und soll es leisten? Ich würde mir eine offene und breite politische Diskussion darüber wünschen, quer durch alle gesellscha­ftlichen Bereiche. Das Allerwicht­igste aber: Neben einer Neudefinit­ion der Aufgaben muss es auch ein klares Bekenntnis zur finanziell­en Ausstattun­g geben: Aktuell 0,57 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s oder etwas mehr als zwei Milliarden Euro für die Landesvert­eidigung sind im europäisch­en Vergleich ein Hohn. Kann ja sein, dass wir kein Militär mehr brauchen. Dann konzentrie­ren wir uns nur noch auf den Katastroph­enschutz, den Schutz kritischer Infrastruk­tur und den sicherheit­spolizeili­chen Assistenze­insatz an der Grenze. Das könnte ja eine durchaus reale Vision sein. Immer noch besser als die aktuelle, irreale Fiktion.

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Gitschthal­er: „Wir verstecken uns doch seit Jahrzehnte­n hinter der Neutralitä­t“ PETER JUST

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