Angst vor 20.000 Volt fliegt immer mit
Riesenglück hatte Paragleiterin beim Unfall in Greifenburg, weil sie die 20-kVLeitung nicht mit dem Körper touchierte.
Dass jemand bei einem Unfall zwei Schutzengel hat, ist selten. Eine 47-jährige deutsche Urlauberin hatte sie Mittwochmittag bei einem Paragleit-Unglück in Greifenburg: Den ersten, als sie nicht mit ihrem Körper, sondern nur mit dem Gleitschirm in eine 20-kVStromleitung geriet. Und den zweiten, als sie panikartig und aus Angst vor einem baldigen Stromschlag das Gurtzeug des Gleitschirms öffnete und sprang – sie hing nur wenige Meter über der sicheren Wiese und blieb unverletzt.
„Die Furcht, bei einem Flugunfall in einer Stromleitung zu landen, fliegt bei jedem Piloten mit. Daher sind die Stromkabel auf der Emberger Alm auch mit roten Signalbällen versehen.
Von Thomas Martinz
Und man lernt bei den Schulungen, diese Leitungen zu umfliegen, denn ein Kontakt ist lebensgefährlich“, sagt Ewald Kaltenhofer, Sprecher der Kärntner Paragleiter und Drachenflieger.
Die 47-jährige Deutsche ist Flugschülerin und absolvierte erst ihren vierten Ausbildungsflug. Noch ist es Gegenstand von Ermittlungen, ob der Unfall passierte, weil sie Funk-Anweisungen ihres Lehrers missachtete oder die Verbindung kurzfristig abriss. Sie flog die Landeschleife jedenfalls falsch an und strandete in der Stromleitung. „Bei unserer Ankunft hatte sie sich längst vom Schirm, der in der Leitung hing, befreit. Den hat dann der Wind weggeweht“, berichtet Gruppeninspektor Karl-Heinz Koch vom Polizeiposten Grafenstein.
Unversehrt blieb die Flugsportlerin, weil Schirm und Leinen den Strom nicht leiten und die Deutsche so isoliert war. „Es kam aber zu einem Kurzschluss und dadurch innerhalb von 80 bis 100 Millisekunden zur automatischen Stromabschaltung. Das ist vergleichbar mit einem FI-Schutzschalter“, klärt Robert Schmaranz von Kärnten Netz auf.
Die Deutsche befürchtete offenbar, dass das Netz wieder hochgefahren wird und ihr Gefahr droht, weshalb sie sprang. „In solchen Fällen werden wir von der Landesalarm- und Warnzentrale verständigt. Dann schicken wir einen Monteur zur Unfallstelle. Erst wenn er die Freigabe erteilt, fließt wieder Strom“, ergänzt Schmaranz. Daher hatten Oberdrauburg, Dellach/Drau, Berg im Drautal, Greifenburg und Steindorf Mittwochmittag 45 Minuten lang keinen Strom.
Dass in den letzten Jahren in Kärnten ein Paragleiter mit dem Körper eine Stromleitung touchiert habe, ist keinem der Experten bekannt. Die Folgen wären fatal. Schmaranz: „Bei 20.000 Volt ist die Überlebenschance nicht groß, so ein Unfall könnte tragisch enden.“