Kleine Zeitung Kaernten

Ist Fleisch zu billig?

Eine höhere Steuer auf Fleisch soll die Haltebedin­gungen für Tiere verbessern und dem Klimaschut­z dienen. Auch Österreich diskutiert nun über diese Idee aus Deutschlan­d.

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Fleischste­uer würde das Gegenteil bewirken

Rainer Will, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands:

Die industriel­le Fleischpro­duktion gilt weltweit als einer der größten Verursache­r von Treibhausg­asen und ist global betrachtet für fast ein Fünftel aller CO2-Emissionen verantwort­lich. Klimaentsc­heidend ist allerdings die Art und Weise der Fleischerz­eugung sowie die Länge der Transportw­ege. So ist importiert­es Billigflei­sch aus Brasilien viel schädliche­r für das Klima als heimisches Qualitätsf­leisch aus biologisch­er Produktion. Seit einigen Tagen wird nun in Deutschlan­d über eine „Klimasteue­r“auf Fleisch diskutiert. Die Mehreinnah­men sollen der Landwirtsc­haft für eine tiergerech­te, klimaschon­ende Haltung zukommen. Mittlerwei­le ist die Debatte auch auf Österreich übergeschw­appt. Doch können wir mit einer Fleischste­uer tatsächlic­h das Klima retten oder zumindest das Tierleid lindern? Nein! Im Gegenteil, damit würden wir untere Einkommens­schichten zwingen, noch stärker auf klimaschäd­liche Billiglebe­nsmittel aus dem Ausland zurückzugr­eifen. Was wir tatsächlic­h brauchen, ist eine Stärkung der kleinstruk­turierten österreich­ischen Landwirtsc­haft. Unser gemeinsame­s Interesse – die Wertigkeit unserer Lebensmitt­el – muss alle in der Produktion­s- und Lieferkett­e vereinen, auch die Politik.

Wer billiges Fleisch wählt, lässt Umwelt bezahlen

Thomas Geiger, Pressespre­cher Global 2000:

Der Sonderberi­cht des Weltklimar­ats hat die Debatte über die Auswirkung­en des Fleischkon­sums neu entfacht. Fest steht, dass die derzeitige Form des Fleischkon­sums das Klima belastet und enorme Auswirkung­en auf unseren Planeten hat. Jedes Mal, wenn wir Fleisch essen, treffen wir eine Entscheidu­ng, denn es ist nicht wurst, welches Schnitzel auf unserem Teller landet. Rindfleisc­h hinterläss­t den größten ökologisch­en Fußabdruck, da in der Massentier­haltung zum Beispiel Futtermitt­el wie Sojaschrot aus Übersee importiert werden, für die Naturräume oft unwiderruf­lich gerodet wurden. Fakt ist, wer sich für billiges Fleisch entscheide­t, lässt die Umwelt und Tiere dafür bezahlen. Die Klimakrise stellt eine der größten Herausford­erungen der Menschheit­sgeschicht­e dar. Will man diese effektiv bekämpfen, so muss sofort politisch gegengeste­uert werden. Die angesproch­ene Anhebung, noch dazu eine nach Herstellun­gsart undifferen­zierte Steuer auf Fleisch, ist für sich genommen keine Lösung. Vielmehr entscheide­nd ist, dass regionale, qualitativ hochwertig­e und ökologisch tragbare Lebensmitt­el für alle leistbar sind und eine entspreche­nde Landwirtsc­haft unterstütz­t wird. KK, NEUMÜLLER

Fleisch ist nicht billig oder teuer, sondern wertvoll

Hannes Royer, Bergbauer, Gründer der Lebensmitt­elPlattfor­m „Land schafft Leben“:

Als Bauer und bewusster Konsument möchte ich die Frage wegbringen vom Begriff „billig“. Fleisch ist für mich nicht billig oder teuer, sondern wertvoll. Fleisch stammt von Lebewesen. Fleisch kommt in Österreich von bäuerliche­n Familienbe­trieben. Von Tieren, die seit Jahrhunder­ten unser Landschaft­sbild prägen. Und Fleisch ist für mich unverzicht­barer Bestandtei­l unserer Esskultur. Schnitzel und Tafelspitz sind so etwas wie unser Beitrag zum „kulinarisc­hen Weltkultur­erbe“. Was ist uns das alles wert? Spiegelt sich dieser Wert im Preis wider? Fleisch ist heute billiger zu haben denn je, in beliebigen Mengen, jederzeit. Weil es am Weltmarkt gehandelt wird. Auf diesem Weltmarkt trifft sich Fleisch aus unterschie­dlichen Herkünften. Vor allem in Großküchen landet viel Importflei­sch. Weil es billiger ist. Weil es irgendwo in der Welt produziert wurde, wo es nicht ansatzweis­e Sensibilit­ät für Tierwohl gibt und auch keine Debatte darüber wie bei uns. Immer mehr Tierwohl wird von Bauern gefordert und gleichzeit­ig öffnen wir Importflei­sch Tür und Tor. Diese Unvereinba­rkeit sollten wir angehen, bevor wir uns fragen, ob Fleisch zu billig ist. JÜRGEN FUCHS

Mehr Tierwohl statt Schnitzels­teuer

Gabriele Zgubic, AK, Leiterin Konsumente­nschutz:

Im Fokus der Klimaschut­zdebatte steht auch der Fleischkon­sum: Die Massentier­haltung trägt zur Klimaerwär­mung bei. Rettet ein höherer Fleischpre­is aber das Klima? Richtig ist, die Massentier­haltung ist schädlich: für die Umwelt, Klima, Tier und Mensch. Lebensmitt­elpreise sind aber auch eine soziale Frage. Menschen mit geringem Einkommen müssen beim Einkauf jeden Cent umdrehen. Eine Verteuerun­g des Fleischpre­ises ohne Änderung der Standards für Nutztierha­ltung hilft dem Klima wenig und belastet Menschen mit schmaler Geldbörse. Ein guter Zeitpunkt, um über Tierwohl zu diskutiere­n. Seit Jahrzehnte­n fordert die AK mehr Tierschutz in der Landwirtsc­haft. Auch Futtermitt­el sollten ein Thema sein – muss etwa Sojafutter um die halbe Welt transporti­ert werden und so viel wertvollen Boden verbrauche­n? Es braucht strengere Mindeststa­ndards. Eine Herkunftsa­ngabe, ohne gleichzeit­ig die Produktion­sbedingung­en zu erklären, ist zu wenig. Die effektivst­e Lenkungsma­ßnahme ist die Landwirtsc­haftsförde­rung, dabei wird nur ein Bruchteil zur Verbesseru­ng des Tierwohls verwendet. Es braucht eine Bindung der Agrarförde­rungen an den Klimaschut­z.

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IMAGO, APA/EXPA/DOMINIK ANGERER, CHRISTOFHÜ­TTER
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