Geologe als Bergfex.
Die Ostalpen lagen einst am Rande einer Meeresbucht: Geologe Hans Peter Schönlaub reist in seinem neuen Buch in die Vergangenheit der Kärntner Bergwelt. Alles begann vor 500 Millionen Jahren.
Hans Peter Schönlaub blickt in neuem Buch in die Vergangenheit der Kärntner Bergwelt.
Wer vom Gipfel der Hohen Warte auf den Wolayersee blickt, steht auf einem Riff, das einst von Salzwasser umspült wurde. Wo sich heute am Karnischen Höhenweg Wanderer tummeln, schwammen einst Trilobiten, die ein bisschen aussehen wie aus „Star Trek“.
Die Proto-Alpen lagen vor 570 Millionen Jahren im Norden des Urkontinents Gondwana: „In dieser geografischen Breite sind Ausgangsgesteine abgelagert worden, die man heute in den Gurktaler Alpen oder Gailtaler Alpen findet, aber auch in solchen Gebieten, die aus kris
tallinen Schiefern aufgebaut sind“, sagt Hans Peter Schönlaub, der jetzt in einem neuen Buch die Entstehung der Alpen für Laien erklärt. Die ältesten Gebirge in Kärnten sind die Karawanken, die Karnischen Alpen und Teile der Gurktaler Alpen: Sie sind 500 Millionen Jahre alt. „Das waren Meere, Riffe und Lagunen“, erklärt Schönlaub. Der Großglockner hingegen ist ein junges Gestein, das im Jura entstanden ist. Aber der Reihe nach: Von der Entstehung der Erde (vor etwa 4,5 Milliarden Jahren) bis zur Bildung der Alpen dauerte es ziemlich lange. Nach einer unvorstellbar langen Zeit von vier Milliarden Jahren entwickelten sich vor ungefähr 500 Millionen Jahren die ersten Gesteine der heute ältesten Kärntner Berge, eben der Karawanken und der Karnischen Alpen, aber auch Gebiete mit kristallinen Gesteinen (früher als „Urgestein“bezeichnet). Diese Zeit nennt man Kambrium, in dem sich die Proto-Alpen im Norden des Superkontinents Gondwana befanden. „Wer heute am Wolayersee steht, steht auf einem Riff. Für viele Leute ist das unverständlich, aber sie finden dort Korallen und andere tierische Organismen, die nur im Meer gelebt haben“, erklärt Schönlaub.
Vor 450 Millionen Jahren begann die Reise der Proto-Alpen in Richtung Norden: Schönlaub erklärt in seinem Buch, dass zahlreiche Funde von Fossilien
wie Tintenfischen, Muscheln und Trilobiten diese Zeit gut nachvollziehbar machen. Im Karbon (vor 360 bis vor 300 Millionen Jahren) kam es zur Bildung des Variszischen Gebirges: Die Kontinente Hun-Superterran und Laurussia kollidierten. In der Folge kollidierten auch Laurussia und Gondwana, dabei entstand das Variszische Gebirge. „Die späteren Ostalpen lagen zu dieser Zeit am Rand einer Meeresbucht, die ab dem späten Karbon das westliche Ende eines nach Südosten offenen Meeres formte. Das war die Tethys, jenes Urmeer, in dem in den folgenden Jahrmillionen der Trias-, Juraund Kreidezeit die Sedimente gebildet werden sollten, die heute die Gailtaler Alpen und Lienzer Dolomiten, die Nordkarawanken, das Krappfeld, Teile der Nockberge, die Radstädter Tauern, die Kalkalpen und sogar Teile der Hohen Tauern aufbauen. Im Gegensatz zu den Südalpen waren diese Gebiete im ausgehenden Karbon und Perm aber Festland“, schreibt Schönlaub in seinem Buch. Das Variszische Gebirge erodierte und erst vor 30 Millionen Jahren kam es zur eigentlichen Auffaltung der heutigen Alpen: Die Westalpen und westlichen Ostalpen hoben sich damals mit bis zu 5 Millimeter pro Jahr.
„Die Fülle an Zeugnissen aus einer langen Zeit, das ist besonders für die Alpen. Das geologische Erbe, das in den Gesteinen steckt, ist in Kärnten auch ganz besonders“, sagt der Geologe und Paläontologe Schönlaub. Das ist auch der Grund, warum man es gerne sehen würde, wenn die Karnischen Alpen zum Unesco-Weltnaturerbe ernannt werden würden. „Seit 1969 hat es allein über dieses Gebiet 500 wissenschaftliche Veröffentlichungen gegeben.“
Für uns Menschen scheint aus unserer zeitlich begrenzten Perspektive die Entwicklung abgeschlossen, doch das ist sie nicht: „Die Zentralalpen heben sich noch immer mit ein bis zwei Millimetern pro Jahr, während es östlich der Linie Salzburg/Villach zu Senkungen kommt.“