„Ich kann heute Konflikte gut aushalten“
Begegnung mit der Archäologin Sabine Ladstätter (50) auf dem Hemmaberg bei Globasnitz, wo die Karriere der EphesosGrabungsleiterin begann.
Mit ihrer 15-jährigen Tochter war sie gerade ein halbes Jahr in den USA. Zurückgekehrt von der Gastprofessur an der Uni Stanford und aus der Türkei war Sabine Ladstätter auf Kurzbesuch bei ihren Eltern in Tainach.
Wir treffen uns hier auf dem Hemmaberg. Ihre Tochter heißt Hemma. Was bedeutet Ihnen dieser Ort?
SABINE LADSTÄTTER: Zu diesem Berg habe ich eine sehr intensive Beziehung. Hier habe ich meine Dissertation verfasst. Der Vater von Hemma ist aus Admont. Das Stift dort ist eine Gründung der heiligen Hemma. Ein traditioneller, regionaler Name war mir wichtig.
Sie haben sich ja von klein auf für Archäologie interessiert. Wie ist das bei Ihrer Tochter?
Archäologie interessiert sie nicht so, aber sie ist eine hervorragende Kennerin der nordischen und griechischen Mythologie! Wo sozusagen die Saat aufgegangen ist: Sie ist ein unglaublich weltoffener Mensch, lebt gern in fremden Kulturen und kann sich schnell anpassen, isst alles, schläft unter widrigen Umständen ...
Es ist Ihnen wichtig, dass Kinder die Welt entdecken?
Mir sind zwei Dinge wichtig: dass man einerseits Wurzeln hat, weiß, wo man herkommt, familiär und regional. Und dass man auf der anderen Seite sagt: So, und jetzt hinaus in die Welt! Es braucht beides, Menschen müssen gefestigt sein.
Sie leben das selbst ja auch. Was bedeutet für Sie der Begriff Heimat?
Für mich ist Heimat ganz stark verbunden mit einer Vertrautheit. Egal welche Position ich habe, wenn ich zurückkomme, dann bin ich hier immer die Sabine. Ich gehe durch die Haustür und kann der Mensch sein, der ich immer war. Dabei spielt für mich die Geografie eine große Rolle. Was ich so liebe am Jauntal, ist die Weite. Es ist ja kein Tal im engeren Sinn, am
sind diese Berge, die geben dir Geborgenheit. Egal, wo ich auf der Welt bin. Wenn ich so eine Gegend sehe, dann ist da sofort ein Wohlfühlen.
Haben Sie die Berge nie als Grenze erlebt?
Eher als Rahmen. Ich habe mich ja sehr viel mit dem Thema Berg beschäftigt, auch in der Archäologie. Ich glaube, dass Rahmen gut sind, um sich die Frage zu stellen: Was ist auf der anderen Seite? Der Mensch ist ja von Neugierde getrieben. Ich gehe hinauf und schau hinunter, auf der anderen Seite muss ja was sein! Also nicht: Ich bleibe hier und lehne alles ab.
Jetzt muss ich Sie doch nach dem Verhältnis zu Ihrem Vater (Anm.: Fritz Schretter, Obmann des Abwehrkämpferbundes) fragen.
Ich habe ein extrem gutes Verhältnis zu meinem Vater. Was ich schätze, ist, dass meine beiden Geschwister und ich es immer geschafft haben, mit unseren Eltern an einem Tisch zu sitzen und uns gut miteinander zu unterhalten, auch wenn man anderer Meinung ist. Wenn ich heute die gesellschaftspolitische Landschaft ansehe, denke ich mir: Man kann doch unterschiedlicher Meinung sein und sich trotzdem wertschätzen! Natürlich war es oft schmerzhaft in der Pubertät. Aber im Rückblick bin ich dankbar, dass ich das mitbekommen habe. Weil ich heute Konflikte aushalten kann. Ich bin nicht autoritär erzogen worden, auch wenn das viele denken, und ich schätze meinen Vater als Menschen sehr!
Und Ihre Mutter ist das ausgleichende Element?
Wenn man jemandem den FrieEnde densnobelpreis geben sollte, dann meiner Mutter (lacht)!
Sie gelten als Türkeikennerin, sprechen Türkisch und kochen gerne. Was schätzen Sie an der türkischen Küche?
Die türkische Küche ist eine der besten, die ich kenne! Besonders gut ist das Gemüse, mein Lieblingsgericht ist die Kichererbsensuppe, die die Bauern früher immer zum Frühstück gegessen haben.
Sie leben rund acht Monate im Jahr in Österreich, vier in der Türkei. Was ist für Sie das Schwierigste am Leben in Camps?
Je älter ich werde, desto schwerer fällt mir die fehlende Privatsphäre. Eigentlich möchte ich manchmal auch einen Raum für mich haben, nicht gestört werden können. Ich glaube, dass es einen Zeitpunkt gibt, wo man mit diesem archäologischen Nomadenleben aufhören muss.
Was wird Ihr nächstes Vorhaben in Österreich?
Wir haben ein Projekt mit Grabungen in Jaunstein beantragt, das im Frühjahr 2020 starten wird. Dabei soll ein Gräberfeld hier mit einem auf der anderen Seite der Berge, in Krain, verglichen werden. Wir wollen uns überlegen: Wie waren die Lebensumstände der Menschen im Frühmittelalter bei den frühen slawischen Populationen hier und bei den Menschen in Krain, die näher am Mittelmeerraum sind?
Langweilig wird Ihnen nicht!
Ich sage immer: Es gibt noch so viel Potenzial bei uns! Wenn Ephesos nichts mehr wird, werde ich nie mehr weggehen und zu Hause forschen.