Kleine Zeitung Kaernten

Vom Weglachen des Unbehagens

ORF-Premiere für die mehrfach prämierte Tragikomöd­ie „Toni Erdmann“mit Peter Simonische­k. Regisseuri­n Maren Ade war von den Publikumsr­eaktionen etwas irritiert.

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Fünf Auszeichnu­ngen beim Europäisch­en Filmpreis, eine Romy, eine Oscar-Nominierun­g, der New York Film Critics Award und viele Preise mehr: „Toni Erdmann“war für die deutsche Regisseuri­n Maren Ade ein Triumphzug. In ihrem dritten Spielfilm, einer deutsch-österreich­ischen Koprodukti­on, verkörpert Burgschaus­pieler Peter Simonische­k den einsamen, aber stets zu Scherzen aufgelegte­n Winfried, der sich bei einem Besuch bei seiner Tochter Ines (Sandra Hüller) in Bukarest mit schiefem Gebiss und schräger Perücke als Lebensbera­ter Toni Erdmann ausgibt, um sich seiner humorlosen Tochter wieder anzunähern.

Ob bei Simonische­ks erstem Toni-Auftritt, Hüllers KaraokeEin­lage oder der Nacktparty: Unzählige Szenen aus „Toni Erdmann“haben bei der Welturauff­ührung in Cannes im Mai 2016 und in Folge rund um die Welt Applaus, Lacher und Jubel in den Kinosälen hervorgeru­fen. „Aber ich sage Ihnen: Der Film ist ein anderer, wenn man ihn allein zu Hause kuckt und schlecht drauf ist“, ist die Regisseuri­n überzeugt.

Dass bei den Festspiele­n von Cannes so viel und hysterisch

gelacht wurde, hat Ade sogar Sorgen bereitet. „Man hofft halt, dass das Publikum die Kurven mitmacht“, sagt die 39-Jährige in Bezug auf die sich abwechseln­den lustigen, traurigen und auch peinlichen Momente. „Aber viele lachen da halt auch ein Unbehagen weg. Entweder man lacht, weil etwas rein lustig ist, oder man lacht, weil man sich befreien muss. Da kann Lachen und Weinen ja auch relativ nah beieinande­rliegen“, konstatier­t sie.

Besonders jenem schmalen Grat, auf dem sich Simonische­k in den Szenen als Toni bewegt, hat Ade viel Aufmerksam­keit gewidmet. Wie der scheinbar abgereiste Winfried Ines mit schiefen Zähnen und zerzausten Haaren als „Lebenscoac­h“ Toni Erdmann überrascht, wurde intensiv geprobt. „Peter hätte den Toni natürlich explodiere­n lassen können, aber es ging ja nicht darum, dass er Toni spielt, sondern er spielt Winfried, der Toni spielt, und Winfried ist kein Schauspiel­er“, erläutert Ade und ergänzt: „Als guter Schauspiel­er einen schlechten Schauspiel­er spielen ist nicht so einfach.“

Die irritieren­de Aufmachung von Winfried/Toni sorgt im Laufe des 162-minütigen Films dafür, dass sich Vater und Tochter neu begegnen. Der Humor des eigenen Vaters hat Ade dabei durchaus inspiriert. „Ich habe ihm mal so ein Scherzgebi­ss geschenkt, und mit dem hat er dann auch mal den Kellner hergewunke­n, solche Sachen. Man kann sich mit Gebiss auch besser beschweren.“

Musste aber Simonische­k viel Schauspiel­können ablegen, um als Winfried den Toni schlecht zu spielen? „Ja, das war sicher das Hauptprobl­em der Figur. Ich bin ja kein junger Anfänger, ich habe mein Leben damit verbracht, die Sache gut zu machen, das darf man nicht vergessen – noch dazu am Theater“, erzählt er, „aber da müssen die Theaterleu­te jetzt mal weghören, aber: Die Authentizi­tät der Gefühle ist am Theater nicht in jedem Moment so unabdingba­r nötig wie im Film. Im Film können Sie alles, was nicht wirklich authentisc­h ist, gar nicht brauchen.“

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