Anschlagsopfer.
KÄRNTNER DES TAGES. Theo Kelz (65) verlor vor 25 Jahren beide Hände und bekam später zwei neue transplantiert. Das änderte sein Leben und macht ihn zum Musterbeispiel für Fachmediziner.
Theo Kelz verlor vor 25 Jahren beide Hände und bekam später zwei neue transplantiert.
Vor der zweisprachigen Renner-Schule in Klagenfurt liegt ein verdächtiger Gegenstand!
Diese Meldung um zwei Uhr nachts ist ein Fall für Theo Kelz in seinem ersten Dienst nach einem China-Urlaub. Der Polizist mit Sprengstoff-Ausbildung fährt mit zwei Kollegen zum Einsatzort. Der ominöse Gegenstand, ein Plastikrohr, sei bereits aus eineinhalb Metern auf den Boden gefallen, sagen Zeugen. „Also keine unmittelbare Gefahr“, denkt Kelz. Er und die Kollegen bringen das Objekt zum Flughafen, um es zu röntgen. „Ich habe fünf Kilogramm schwarze Masse, die nicht wie Sprengstoff aussah, entfernt.“Plötzlich detoniert das Rohr. Das Letzte, was Kelz registriert: „Ich kann fast nicht mehr at
men. Meine Hände sind weg. Und ich sehe nichts mehr.“
Das war an diesem Wochenende vor 25 Jahren. Der Bombenterror des rechtsradikalen Soziopathen Franz Fuchs, der vier Menschen tötete und zehn verletzte, hat Kärnten erreicht. „Fuchs hat mein Leben explosionsartig verändert“, sagt Theo Kelz heute – und nimmt die Doppeldeutigkeit des Satzes durchaus in Kauf. Während der Reha hatte er eine nächtliche Vision, in der er zwei neue Hände hochhielt. Danach ertrotzte er sich geradezu die zweite Handtransplantation weltweit. Er schrieb an die Uni-Klinik Innsbruck und weitere 50 Spezialkrankenhäuser, bekam nur Abfuhren und versuchte es erneut in Innsbruck. Primar Raimund Magreiter war wohl von Kelz’ Genesungswillen beeindruckt und versprach ihm die Transplantation, „wenn auch alle Voraussetzungen passen“.
Im März 2000 war es so weit. „Das Letzte, was ich mit meinen Prothesen schrieb, war die Einwilligung in die Operation.“Was der heute 65-jährige Feldkirchner damals nicht wissen konnte: Seine Kraft und Geduld, die sich in Tausenden Therapiestunden und zahllosen Kontrolluntersuchungen zeigt, machten ihn zu einem begehrten Informanten nicht nur für die Transplantationsmedizin, sondern auch für Patienten in einer ähnlichen Lage. Kelz: „Erst vor zwei Wochen hatte ich Kontakt mit einem Burschen, der in den ukrainischen Wäldern beide Hände durch
Sprengstoff verloren hat.“Der pensionierte Polizist war – persönlich oder übers Internet – bei Fachkongressen in Schweden, Frankreich, Russland oder den USA.
Mit den neuen Händen, die für ihn längst normal sind, fuhr er 150.000 Kilometer mit dem Motorrad kreuz und quer durch die Welt. 2003 in Südamerika brach er sich eine Hand. „Ich rief Professor Magreiter an – der hat mich zusammengeputzt. Ich hätte nie gedacht, dass der so schimpfen kann. Jetzt weiß man wenigstens, dass auch gebrochene transplantierte Hände wieder heilen können.“
Kelz hat erkannt, dass ihn der Unfall und seine Folgen „offener, großzügiger und mitfühlender“gemacht haben und sein Leben „nicht schöner, aber interessanter“geworden ist. Als ihm und seinem Freund bei einer Motorradtour in Tansania ein körperlich schwerstbehinderter Jugendlicher auffiel, sorgte Kelz dafür, dass der in Innsbruck und Althofen behandelt wurde. „Heuer beendet Godfrey die Schule und beginnt eine Lehre als Orthopädie-Techniker in Daressalam.“
Dass und wie Kelz den Anschlag vor einem Vierteljahrhundert überwunden hat, „ist wie der berühmte zweite Geburtstag in ein neues Leben. Das soll gefeiert werden, indem meine Partnerin und ich essen gehen und uns einen schönen Tag machen.“
Hass auf Attentäter Fuchs, der sich bei seiner Festnahme selbst die Hände wegsprengte und in der Haft 2000 umbrachte, empfindet er nicht: „Das würde mir nur selbst schaden!“
Zukunftspläne hat er auch: „Nächstes Jahr möchte ich mit dem Motorrad die Seidenstraße fahren.“Über seine „neuen/ fremden“Hände denkt er fast nur noch nach, wenn er – wie jetzt – von Medien angesprochen wird. Seine Enkel, acht und neun, sind da aufmerksamer. „Opa, pass ja auf deine neuen Hände auf – sagen sie zu mir.“Ihre Fürsorge könnte belohnt werden. Kelz: „Ich überlege, ein Beiwagerl zu kaufen und ab und zu mit ihnen eine Runde zu drehen.“