| Thomas Götz über die Popularität der Expertenregierung, die nicht regiert.
Seit dem Sturz der Regierung Kurz haben wir eine Expertenregierung, die sich größter Popularität erfreut. Das liegt an einem verbreiteten Irrtum über das Wesen von Politik.
Es sind seltsame Wochen, die wir vor der Herbstwahl durchleben. Der Wahlkampf wirft dunkle Schatten voraus, die Regierung vermeidet jeden Eindruck von Aktivität. Beides ist gut für ihre Popularitätswerte. Die Mannschaft um die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Brigitte Bierlein, erfüllt die kühnsten Träume der Österreicher.
„Nicht streiten“, das Motto der abgewählten Koalition, war schon gut – „keine Bewegung“, der Grundsatz der Regierung Bierlein, ist nicht zu toppen. Doch wie lange? Zwar lässt sich ein gut funktionierendes Land monatelang einfach weiterverwalten, ohne dass dem Bürger irgendetwas abginge oder gar Schaden entstünde. Als Dauerlösung aber empfiehlt sich diese Politik nicht.
Für das Image der stillsten Regierung aller Zeiten aber ist die selbst gewählte Reduktion auf Alltagsgeschäfte wunderbar. Die Bundeskanzlerin verzeichnete im letzten Vertrauensindex, der Ende Juni publiziert wurde, einen Traumwert von 40 Prozent. Das war ein Punkt mehr, als Bundespräsi
dent Alexander Van der Bellen in seinem Allzeithoch nach Bewältigung der Regierungskrise erreichen konnte. Sebastian Kurz, bis dahin lange Listenführer, war da längst weit zurückgefallen. Das mühsam aufrechterhaltene Konstrukt einer kompakten, einigen Regierungsfront war kollabiert.
Nun also führt die Charts unsere Übergangsregierung an. Der Begriff Expertenregierung, der sich für die von 14 auf 12 Minister reduzierte Mannschaft eingebürgert hat, führt in die Irre. Expertenregierungen, wie wir sie aus Italien kennen, sind in der Regel echte Regierungen. Sie verfügen über das Vertrauen des Staatspräsidenten, eine Parlamentsmehrheit und einen klaren Sanierungsauftrag.
Unserer Übergangsregierung fehlt vor allem das Letztere. Von Anbeginn an hatte Bundeskanzlerin Bierlein klargestellt, sie habe nicht die Absicht, im engeren Sinne des Wortes zu regieren. Wer immer in ihrem Kabinett Anstalten machte, diese Vorgabe zu missachten, wurde zurückgepfiffen, auch wenn das eigentlich nicht möglich ist. Österreichs Kanzler verfügen nicht über eine Richtlinienkompetenz, wie sie etwa der deutschen Bundeskanzlerin Einfluss auf die Arbeit ihrer Ministerinnen und Minister verleiht.
Politik im engeren Wortsinn reduzierte sich in der Zwischenzeit auf Wortgefechte, Streit, peinliche Enthüllungen und gegenseitige Anschuldigungen im Wahlkampf, all das also, was die Österreicher für ein Übel halten.
So könnte die um Frieden, Eintracht und ihr Ansehen bemühte Regierung Bierlein indirekt zum Verdruss an der Politik beitragen. Leicht könnte der Eindruck entstehen, was wir derzeit an Regierungsarbeit erleben, wäre der Idealfall politischer Führung, der Politikbetrieb aber, wie er sich parallel dazu im Wahlkampfmodus darstellt, nur eine unschöne Entartung davon. Ein nicht ungefährliches Missverständnis.