Italiens Chefs ohne Hausmacht
Im Zentrum der Regierungskrise: Sterne-Chef Di Maio und Sozialdemokrat Zingaretti.
Nicola Zingaretti steckt in einem Dilemma. Er ist seit März „Segretario“des gemäßigt linken Partito Democratico (PD) in Italien. Als Parteichef ist es an ihm, sich dieser Tage mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung über die Bildung einer Regierung zu einigen. Bis heute hat Staatspräsident Sergio Mattarella den Parteien dafür Zeit gegeben. Gibt es keine Einigung, wird Mattarella Neuwahlen ansetzen. Für diesen Fall gibt es einen sicheren Gewinner: Noch-Innenminister und Chef der ultrarechten Lega, Matteo Salvini. Er könnte dann Ministerpräsident werden.
Das Salvini-Szenario ist der wohl wichtigste Faktor beim Einigungsversuch von PD und Fünf-Sterne-Bewegung. Allerdings hat PD-Chef Zingaretti nicht nur mit den Sternen zu kämpfen, sondern insbesondere mit der eigenen Partei. Das macht die Einigung so schwierig, zumal auch FünfSterne-Anführer Luigi Di Maio einer innerlich zerrissenen Bewegung vorsteht.
Zwei Parteichefs ohne echte Hausmacht, wohin soll das führen? „Schwarzer Rauch, graue Zukunft“, titele „La Repubblica“am Montag in Anspielung auf eine Papstwahl, bei der erst weißer Rauch eine Einigung anzeigt.
Auf der einen Seite gibt es bei den Sternen das Lager, das heilfroh über die vor Wochen geplatzte Allianz mit Salvinis Lega ist, von der sich die Sterne politisch marginalisieren ließen. Auf der anderen Seite
gibt es bei den „Grillini“einen starken Drang zu Neuwahlen oder gar zur Neuauflage einer Koalition mit der Lega. Zwischen diesen Polen bewegt sich der junge Vizepremier Di Maio. Er selbst kann eigentlich nur Fehler machen.
So geht es auch Zingaretti. Der 53-jährige Römer, eigentlich gelernter Zahntechniker, steht erst seit März dem Partito Democratico vor, der noch nicht von den inneren Machtkämpfen der Ära Renzi genesen ist. Matteo Renzi trat als Ministerpräsident bereits 2016 zurück, als PD-Parteichef allerdings erst nach den Parlamentswahlen 2018. Die Sozialdemokraten erreichten damals nur noch knapp 19 Prozent der Stimmen. Der eher konservative, wegen seiner Reformversuche in Berlin und Brüssel angesehene, aber in Italien wegen seiner Egozentrik viel kritisierte Renzi bestimmte einen Großteil der Abgeordneten, etwa 70 Prozent sind nach wie vor ihm zugetan. Der linke Zingaretti, seit 2013 Gouverneur der Region Latium, führt nun eine Partei, ohne echten Einfluss auf deren Parlamentarier zu haben. Doch diese sind für die Regierungsbildung entscheidend.
In sozial- und umweltpolitischer Hinsicht gäbe es durchaus Berührungspunkte zwischen PD und Fünf-Sterne-Bewegung. Nun kommt es insbesondere auf die Taktik von Verhandlungspartner Luigi Di Maio von den Sternen an.