Kleine Zeitung Kaernten

Gesucht und gefunden

Rotes Kreuz sucht weltweit nach mehr als 145.000 Vermissten und führt Familien wieder zusammen.

- Von Barbara Jauk

Nicht über das Schicksal der eigenen Verwandten Bescheid zu wissen, kann sehr quälend sein – auch über Jahrzehnte hinweg. Das zeigt das Beispiel eines 88-Jährigen. Er hat nach 75 Jahren der Ungewisshe­it mithilfe des Suchdienst­es des Roten Kreuzes herausgefu­nden, wie genau sein Vater im Zweiten Weltkrieg zu Tode kam. „Jetzt kann er endlich loslassen“, schildert Claire Schocher-Döring, die Leiterin des Suchdienst­es, das glückliche Ende des Falles. Weltweit suchen das Internatio­nale Komitee des Roten Kreuzes bzw. der Rote Halbmond derzeit nach rund 145.000 Menschen – doppelt so viele wie 2015. In Österreich gibt es etwa 1000 Fälle pro Jahr. „Wir suchen ausschließ­lich nach Familienan­gehörigen, die aufgrund von Krieg, Katastroph­en oder Migration getrennt wurden“, erklärt Schocher-Döring. Viele Anfragen betreffen nach wie vor den Zweiten Weltkrieg, dessen Beginn sich am Sonntag zum 80. Mal jährt. Bei aktuellen Schicksale­n Vermisster geht es internatio­nal vor allem um Menschen aus Kriegs- und Krisengebi­eten wie Afghanista­n, Syrien, Somalia und dem Irak.

„Wenn es um den Zweiten Weltkrieg geht, wird vor allem in Archiven – auch ausländisc­hen – gesucht“, schildert die RotkreuzMi­tarbeiteri­n das konkrete Vorgehen. Damals sei alles „wahnsinnig gut dokumentie­rt“worden.

Bei aktuellen

Vermissten­fällen spielt die öffentlich zugänglich­e OnlinePlat­tform „Trace the Face“eine wesentlich­e Rolle. Mehr als 3.600 Angehörige suchen dort derzeit nach Verwandten, und zwar indem sie das eigene Bild veröffentl­ichen und beschreibe­n, nach wem sie suchen, zum Beispiel Vater, Tochter etc. Angaben zu Vermissten selbst dürfen aus Datenschut­zgründen keine gemacht werden. Diese Datenbank funktionie­rt also nur dann, wenn auch der oder die Gesuchte aktiv nach seiner Familie sucht. Über Mitarbeite­r des Roten Kreuzes wird dann der Kontakt zwischen den Familienmi­tgliedern hergestell­t. In vielen Fällen wird aber auch direkt vor Ort gesucht. „Die Kollegen gehen in die Ortschafte­n, reden mit alten Lehrern, Geistliche­n oder Verkäufern“. In Österreich arbeiten derzeit rund 55 Personen beim Suchdienst. In jedem Bundesland gibt es Ansprechst­ellen. Internatio­nal gibt es 191 Stellen, mit denen zusammenge­arbeitet wird. Oft würde über Jahre hinweg gesucht, nicht immer mit Erfolg. Auf der „Trace the Face“-Seite gebe es derzeit „ein bis zwei Treffer pro Woche“. Bei aktuellen Fällen würde rund jeder zehnte Fall gelöst. Bei den weiter zurücklieg­enden Fällen liege die Erfolgsquo­te bei rund 80 Prozent. „Jeder Einzelne ist ein Schicksal“, betont Schocher-Döring, „für die Menschen, die bei uns um Hilfe suchen, bedeutet ein erfolgreic­hes Ergebnis die Welt.“

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RK Claire SchocherDö­ring, Suchdienst Rotes Kreuz

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