Unseren Kindern fehlt der Weitblick
Generation Sehschwäche: Die Zahl der Brillenträger steigt, immer mehr Kinder sind kurzsichtig. Was den Augen hilft und was ihnen schadet.
Hinter Lernproblemen
kann auch eine Sehschwäche stecken, die bei Kindern oft unentdeckt bleibt.
Gabriele Machhammer,
Augenoptikerin
Krise im Klassenzimmer: Schüler X, nennen wir ihn Paul, gehört zur patscherten Sorte. Statt im Sportunterricht den Ball zu fangen, greift er ins Leere. Auch beim Lesen stellt er sich ungeschickt an. Seine Augen sind zugekniffen, der Körper angestrengt Richtung Tafel gelehnt: Trotzdem schafft er es nicht, die Buchstaben zu erkennen. Auf seine Lehrer und die Eltern wirkt Paul unkonzentriert. Er macht viele Fehler und hat oft Kopfweh. Was tun?
„Hier ist es sinnvoll, zuerst die Augen der Kinder überprüfen zu lassen“, rät Augenoptikerin Gabriele Machhammer. Hinter vermeintlichen Lernproblemen könnte nämlich auch eine Sehschwäche stecken, die bei Kindern oft unentdeckt bleibt. Vor allem die zunehmende Kurzsichtigkeit entwickelt sich immer mehr zum Problem.
Studien zeigen, dass in Europa mittlerweile jeder zweite junge Mensch von Kurzsich
tigkeit betroffen ist. Deutliche Zahlen, die vom asiatischen Raum allerdings noch übertroffen werden. 84 Prozent aller chinesischen Kinder leiden unter Kurzsichtigkeit, rund 90 Prozent der Studenten tragen eine Brille.
Experten sprechen mittlerweile von der sogenannten „Schulmyopie“. Nicht ohne Grund, denn vor ihrer Einschulung sind die meisten
Kinder noch normal- oder weitsichtig. Erst im Schulalter, also zwischen dem 6. und 15. Lebensjahr, beginnt sich immer öfters die Kurzsichtigkeit einzustellen. Doch nicht immer ist die Genetik schuld: „Wir fordern immer mehr von unseren Augen“, sagt Gabriele Machhammer und verweist gleichzeitig auf die sich ändernden Lebensbedingungen. Tagsüber schauen Kinder auf die Tafel und in die Bücher. Nach Schulschluss wird das Heft gegen Smartphone und Computer eingetauscht. Dabei gehe es aber nicht nur um das Gerät, sondern auch um die Distanz. Steckt ein Kind wortwörtlich seine Nase in Bücher, kann auch das zu Kurzsichtigkeit führen. Ein weiteres Problem: Kinder spielen immer weniger draußen. Das dringend benötigte Tageslicht fehlt. Stattdessen treten Bildschirme mit einem hohen Kunstlichtanteil auf den Plan. „Dadurch schafft es das Auge irgendwann nicht mehr, sich auf weite Entfernungen einzustellen“, erklärt Machhammer. Es sei allerdings unsinnig, Kinder in Zukunft von Smartphones und Computern ganz fernzuhalten. Vielmehr gehe es darum, die Bildschirmzeit der Kinder auf ein gesundes Maß zu fixieren.
Prinzipiell könne man Sehschwächen bei Kindern leicht feststellen. Um Probleme rechtzeitig zu erkennen, führe aber kein Weg an einem Besuch beim Fachoptiker vorbei.
Generell räumen Eltern der Augengesundheit ihres Kindes zu wenig Priorität ein: Die im Mutter-Kind-Pass vorgesehenen Untersuchungen des Auges werden absolviert, danach reißen die Besuche ab. Das hat Folgen. Denn nur mit korrigierter Sicht lassen sich Folgeprobleme im Erwachsenenalter vermeiden. Kurzsichtigkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit von Beschwerden wie Netzhautablösungen oder Makula-Erkrankungen.
Braucht das Kind eine Brille, ist vor allem eines wichtig: Sie muss dem Kind gefallen, sagt die Expertin. Zudem sollten Sie zu einem leichten Modell mit geschütztem Rahmen greifen. Schließlich sind Kinderbrillen erfahrungsgemäß der einen oder anderen Bruchlandung ausgesetzt.