Was auf die Ernüchterung folgt
Gerfried Stocker über die Anfänge der Ars Electronica mit kühlschrankgroßen Bildschirmen und über entscheidende Zukunftsfragen.
Den 40er nimmt die Ars Electronica auch zum Anlass für eine Rückschau. Welche kuriosen Dinge von der Premiere sind denn nun bei der Vorbereitung aufgetaucht?
Weil der ORF das Festival von Anfang an dokumentiert hat, haben wir viele Videos, Bilder und Tondokumente. Für mich am faszinierendsten: Man sieht Menschen mit Geräten hantieren, über die man heute nur lachen kann.
Welche Geräte waren das?
Audio- oder Videosynthesizer, oft selbst zusammengebaut oder gelötet. Die Bildschirme waren so groß wie Kühlschränke. Die elektronischen Geräte schauen anachronistisch aus. Aber schon in den ersten Einleitungstexten merkt man das künstlerische Herangehen, die Lust auf das Risiko und auf die Entdeckung neuer Kommunikationsund Lebensräume.
Ein Beispiel bitte! 1986 verbarrikadierten sich Künstler eine Woche lang in einem Container vor dem Brucknerhaus und kommunizierten mit der Außenwelt nur mit Telefon, Radio, Fernseher, Fax. 20 Jahre später wurde das bei „Big Brother“zum großen Erfolg. Der Antrieb des Projekts war die Frage, wie sich die soziale Dynamik verändert, wenn wir uns abends nicht mehr im Kaffeehaus treffen, sondern durch Medien verständigen.
Midlife-Crisis steht 2019 im Titel. Steht das für einen pessimistischen Blick auf die Gegenwart?
Nein, ich würde nicht den Begriff Pessimismus bedienen, sondern eher jenen der Ernüchterung. Das ist das Tolle an einer Midlife-Crisis: Sie kommt zu einem Zeitpunkt im Leben, an dem man schon etwas erreicht hat. Die Frage lautet: War’s das schon? Die Wildwest-Manier, in der sich einige monopolistische Konzerne den ganzen digitalen Raum angeeignet haben, ist ernüchternd. Man kann das nur mit den Desperados von einst vergleichen. Anstelle von Gangs sind Netzwerke gerückt.
Und nach der Ernüchterung?
Kommt die Erkenntnis, dass es Hunderte, Tausende engagierte kreative Projekte gibt. Zum Beispiel einen Parasiten, den man auf digitale Assistenten wie Alexa & Co – dem Tiefpunkt der Entwicklungen – physisch draufsetzt, wenn man will, dass sie nicht zuhören kann. Da ist viel Spielerisches und Subversives dabei.