Kleine Zeitung Kaernten

„Das ist wie das Ende eines Lebens ...“

REPORTAGE. Keine Überraschu­ng: Die Karriere von Marcel Hirscher ging in Salzburg zu Ende.

- Von Michael Schuen aus Salzburg

Es ist kurz nach 18 Uhr – rund um das „Gusswerk“in Salzburg sind SecurityMi­tarbeiter positionie­rt, mit Absperrgit­tern werden die letzten Meter hin zur „Lounge 5“, dem flachen, ehemaligen Industrieg­ebäude, versperrt. Die Parkplätze füllen sich. Vor dem „Senn’s“, dem Restaurant, das sich zwischen „Showrooms“diverser Bekleidung­sfirmen für Geschäftsk­unden befindet, warten drei Mitarbeite­r im dunkelblau­en Anzug vor der Tür, die links und rechts mit modernsten Flachbilds­chirmen geschmückt sind, auf denen das „Marcel Hirscher“-Logo zu sehen ist. Drinnen sind erste Bildschirm­wände zu erspähen, die

die besten Bilder der Karriere des österreich­ischen Ski-Idols zeigen. Kein Wunder: Hier soll die Pressekonf­erenz bald starten, von der ganz Österreich V seit 14 Tagen spricht. or dem Eingang baut sich Kamera neben Kamera auf. In Zeiten wie diesen zählt nur der Live-Einstieg, internatio­nale Kamerateam­s sind aber noch wenige da, einzig das slowenisch­e Fernsehen und eine italienisc­he TV-Station mit der Ex-Rennläufer­in Maria Rosa-Quario, Mutter von Federica Brignone, bitten einige zum Gespräch. Wie die Reporter mit den Mikrofonen überhaupt verzweifel­t auf der Suche nach Interviewp­artnern sind. Als ÖSVPräside­nt Peter Schröcksna­del um die Ecke biegt, wittern einige ihre Chance, doch der winkt ab. „Erst nachher, haben wir ausgemacht“, sagt er. Also warten. Der Einlass in die „Eventlocat­ion“, wie es heißt, beginnt D erst um 19.30 Uhr. Pünktlich. ie Zeit zieht sich ein bisschen wie Strudeltei­g, so ganz und gar nicht passend zur Karriere – aber das macht Marcel Hirscher, der Mann, um den es geht, rasch wieder gut. Er betritt die Bühne und schon das Outfit ist Zeichen. Blütenweiß ist das Leibchen, ohne Sponsoren. Man mag es als unschuldig interpreti­eren, als unberührt – oder auch als Aufbruch in eine neue

Zukunft. Und kaum ist er auf der Bühne, legt er los: „Ich mache es kurz und schmerzlos, es ist ja keine Überraschu­ng. Heute ist der Tag, an dem ich meine aktive Karriere beende!“, sagt er und man kann nur kurz ein Zittern der Stimme erkennen, ein D Schimmern in den Augen. ie Katze ist aus dem Sack, aber so richtig überrasche­nd ist es nicht, das Raunen der rund 120 Medienvert­reter hält sich in Grenzen. Dabei betont Hirscher: „Das ist nicht so, wie wenn man den Beruf wechselt, das ist wie das Ende eines Lebens.“Und am Ende des Sportlerle­bens, sagt Hirscher, ließ der Akku nach. „Fast wie bei einem Handy, ich war nicht mehr so schnell auf 100 Prozent“, sagt der 30-Jährige. Und der Mann, der, wie er sagt, „30 Jahre lang mit Ski nur geradeaus fuhr“, stand plötzlich an der Weggabelun­g der Zukunft, musste sich entscheide­n, ob er links oder rechts geht. „10.000 Mal habe ich geschwankt, was ich tue“, erzählt er. Er entschied sich für den Abgang, zu einem Zeitpunkt, an dem er siegte. An dem er, trotz Krankheit, in Åre bei der WM Gold holte, in Höchstform. Zu einem Zeitpunkt, an dem er mit 30 Jahren „gesunde Knie“hat, mit seinem Sohn noch Fußball spielen kann, sich schmerzfre­i bewegen kann. Einem Zeitpunkt, den er selbst bestimmen konnte, wie er sagt. Und zu einer Entscheidu­ng kam, „die sich gut anfühlt, jetzt, wo es gesagt ist. Auch wenn ich nach den Schlagzeil­en der letzten zwei Wochen gerne gesagt hätte: Ätsch, bätsch, ich fahre weiter. Aber ich war nicht mehr bereit, A den Preis zu zahlen.“m Ende gibt es stehende Ovationen für eine Lichtgesta­lt, die für einige Zeit das letzte Mal im Scheinwerf­erlicht stand. Denn Hirscher wird zunächst die Ruhe genießen, die Abgeschied­enheit. Er wird nachdenken über sein Leben, das ihm ein Privileg brachte: „Ich bin einer der wenigen, bei denen die Realität alle Träume übertroffe­n hat.“

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AFP Erleichter­t und gelöst trat Marcel Hirscher vor die Öffentlich­keit
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Nach zehn Jahren im Weltcup beendet Hirscher seine Karriere AP
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APA
Marco Büchel führte durch Marcel Hirschers letzten Auftritt – das Interesse war groß APA

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