„Mir hat der Mut gefehlt“
Eine opulente Reise in die Weimarer Republik verspricht die Bauhaus-Serie „Die Neue Zeit“. Anna Maria Mühe verkörpert eine Gropius-Schülerin.
Frau Mühe, die von Walter Gropius gegründete Kunstschule Bauhaus in Weimar war wegweisend für Kunst, Architektur und Design der Moderne. Warum wird 100 Jahre nach der Gründung das Bauhaus derzeit im ganz großen Stil gewürdigt?
ANNA MARIA MÜHE: Das Tolle an dieser Schule war einfach, dass sie in einer Zeit entstand, die zwischen den Kriegen und irgendwie zwischen den Welten lag. Es war eine sehr fortschrittliche Zeit, in der gefühlt alles möglich war, in der man den alten Muff loswerden wollte, das Verkrustete hinter sich ließ und die neue Zeit für sich entdecken wollte. Dafür hat die Schule den Studenten den Raum gegeben.
Sie spielen Dörte Helm, eine heute wenig bekannte BauhausSchülerin, die viele Bilder malte. Können Sie selber zeichnen? Ich war nie die gute Zeichnerin, aber vor allem weil mir der Mut gefehlt hat. Zeichnen hat auch viel mit Mut zu tun. Mein Stiefvater, der Künstler und Ausstatter beim Film ist, hat mich zum Glück wochenlang vorbereitet. Er hat die ganzen Materialien zu Hause, zum Beispiel bestimmtes Papier oder Kohlestifte, ich konnte mich damit also schon mal anfreunden, gucken, wie sich das anfühlt in der Hand und was mir liegt. Das war sehr hilfreich, und somit konnte ich beim Drehen spontan und mutig agieren.
Finden Sie es gut, dass allmählich auch die Frauen des Bauhauses in den Mittelpunkt rücken? Lange Zeit ging es bei dem Thema ja vor allem um die männlichen Protagonisten, um Leute wie Oskar Schlemmer oder natürlich Bauhaus-Gründer Walter Gropius. Bei mir selber war das Wort Bauhaus früher auch immer mit Schlemmer oder Kandinsky verbunden, aber nie mit Dörte Helm, Anni Albers oder Gunta
Ich finde es absolut wichtig und bin sehr froh, dass wir in unserer Serie einer Künstlerin wie Dörte Helm, die so wenig Aufmerksamkeit erfahren hat, endlich eine Plattform geben.
Die Frauen am Bauhaus haben damals gegen vorgegebene Rollen aufbegehrt. Empfinden Sie Dörte Helm als Vorbild? Ja, auf jeden Fall. Für mich ist Dörte Helm eine absolut mutige Frau, die für ihre Sache einstand und kämpfte – nicht für sich allein, sondern für die Gesellschaft, für die Gleichberechtigung. Und das ist auch heute ein hochaktuelles Thema. Damals hat sie dafür gekämpft, dass es am Bauhaus keine reine Frauenklasse geben durfte, sondern dass Frauen genauso Architektinnen sein oder Möbel bauen durften wie die Männer. Heute kämpfen Frauen dafür, dass sie für die gleiche Arbeit das gleiche Geld kriegen wie der Mann.
Wie ist das für Sie als Schauspielerin? Fühlen Sie sich als Frau noch manchmal zurückgesetzt? Ich habe das Glück, dass ich mit sehr starken, sehr emanzipierten Frauen aufgewachsen bin, und das war ich dann selber auch sehr schnell, ich hatte nie Schwierigkeiten mit Männern oder mit männlichen Vorgesetzten.
Im Mittelpunkt der Serie steht ja die Liebesbeziehung zwischen Gropius und Dörte Helm … Das ist bei uns der fiktive Teil der Geschichte, wir haben ja keinen Dokumentarfilm gemacht. Man weiß zwar über Gropius, dass er seinen Studentinnen sehr zugetan war, was aber genau mit Dörte Helm war, das kann heutzutage niemand mehr nachvollziehen. In unserem Film begegnen sich die beiden ziemlich schnell auf Augenhöhe, obwohl es eigentlich um ein Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler geht. Die machen sich beide gegenseitig wahnsinnig und in ihrem Wahn verlieben sie sich ineinander.
In der Serie wird Dörte Helm von ihrem Lehrer Johannes Itten, ebenfalls eine historische Figur, schonungslos provoziert, er will sie aus der Reserve locken. Könnten Sie so arbeiten?
Nein, bei mir ist es das GegenStölzl. teil, ich würde mich dann zurückziehen. Wenn jemand anfängt, mich zu provozieren, weil er glaubt, in mir etwas zu sehen, und das rauslocken will, dann bin ich ganz schnell weg. Weil ich das extrem unangenehm, übergriffig und herablassend finde.
Welche Rolle haben für Sie bei der Darstellung dieser Künstlerin aus der Weimarer Republik die Kostüme gespielt? Bei historischen Stoffen ist es unglaublich wichtig, was Kostüm, Maske und Requisite mitbringen. Und in unserem Fall haben alle Zahnräder ineinandergegriffen, es funktioniert unfassbar gut. Beim Drehen hat man bei jedem neuen Motiv, in das man hineingekommen ist, gedacht: Das gibt es ja gar nicht. Es war immer genau so, wie man es sich vorgestellt hatte, oder sogar noch tausendmal besser.
„Die Neue Zeit“. Heute auf Arte, ab 20.15 Uhr. Im Mittelpunkt der sechsteiligen Serie stehen Walter Gropius (August Diehl) und seine Schülerin Dörte Helm (Anna Maria Mühe). Die weiteren Folgen sind am 12. 9. zu sehen.