Ganz großes Polit-Theater
Kleine Zeitung und Bundesländerzeitungen füllten mit dem Schlagabtausch der Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl Salzburgs Landestheater bis auf den letzten Platz.
Zu Beginn der Debatte wirkte Sebastian Kurz sichtlich verschnupft über so manche scharfe Frage, zur Halbzeit der im einstigen erzbischöflichen Landestheater geführten Elefantenrunde der Kleinen Zeitung und der Bundesländerzeitungen streute der ÖVPChef den beiden Moderatoren bereits Rosen: „Ich weiß nicht, wie oft ich schon im ORF war, aber diese Frage ist mir noch nie gestellt worden.“Neben dem Klima- und dem Bildungsthema hatten Antonia Gössinger und Manfred Perterer, Chefredakteure der Kleinen Zeitung und der „Salzburger Nachrichten“, die sechs Spitzenkandidaten bei der ersten und einzigen Diskussionsrunde,
die nicht in Wien über die Bühne geht, auch mit der Frage der Ausdünnung des ländlichen Raums konfrontiert. Im Gegenzug machte man in Salzburg bei der flotten und inhaltlich kurzweiligen Debatte im Vorfeld der Nationalratswahl einen großen Bogen um die inhaltlichen Dauerbrenner Ibiza, Schreddern, Hacken, Parteispenden, Migration. Der Applaus des bis auf den letzten Platz gefüllten Theaters war den Moderatoren, aber auch den Diskutanten sicher.
In der Frage des ländlichen Raums forderte Peter Pilz im Zusammenhang mit der Schließung von Polizeiposten und Postämtern: „Die Politik darf nicht die Regionen aufgeben.“ Grünen-Chef Werner Kogler meinte zwar, nicht jede Bezirkshauptstadt müsse ein Bezirksgericht haben. „Die Ausdünnung ist ein psychologisches Problem.“FPÖ-Chef Norbert Hofer, der aus dem einst strukturschwachen Burgenland kommt, widersprach teilweise: „Wir können nicht mit Bezirksgerichten den ländlichen Raum
Ganz Österreich finanziert die Wiener U-Bahn – und Wien schafft es noch immer, Schulden zu machen.
Sebastian Kurz (ÖVP)
Wir müssen an die Frauen denken: Die wandern als Erstes ab, wenn sie keine Arbeit
und Kindergärten finden.
Pamela Rendi-Wagner (SPÖ)
Mit einem Bezirksgericht
allein werden wir den ländlichen Raum nicht retten
können.
Norbert Hofer (FPÖ)
Klimakrise? Eine Herausforderung. Ich bin aber optimistisch, dass wir das schaffen.
Kurz (ÖVP)
Man darf Umweltpolitik nicht gegen Sozialpolitik
ausspielen.
Rendi-Wagner (SPÖ)
Wir müssen Verkehr über Stadtgrenzen unterstützen. Also: Nahverkehrsmilliarde.
Hofer (FPÖ)
Wir müssen CO2 einen Preis geben, aber die Menschen
gleichzeitig entlasten.
Meinl-Reisinger (Neos)
Die Republik signalisiert, wir geben die Region auf, indem der Polizeiposten oder das
Postamt zusperrt.
Peter Pilz (Jetzt)
Eine differenzierte Fleischsteuer, die die heimische Fleischindustrie fördert.
Pilz (Jetzt)
Wir sind Föderalisten mit Herz – Gemeinden sollen in Wettbewerb bei Kinderbetreuung und Jobs treten.
Beate Meinl-Reisinger (Neos)
Wir sind mit der Raumordnungspolitik weit hinten. Das führt zu ökologischen Problemen, weil alle herumfahren.
Werner Kogler (Grüne)
Eine sozial verträgliche CO2Steuer ist möglich und notwendig.
Kogler (Grüne)
retten, die Leute gehen weg, weil es keine Jobs gibt.“ÖVPChef Kurz holte zu einer Attacke gegen Wien aus: „Ganz Österreich finanziert die Wiener U-Bahn mit, dennoch hat Wien mehr Schulden als jedes andere Bundesland.“SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner rügte Kurz wegen seines „Wien-Bashings“: „Warum pendeln täglich 200.000 nach Wien? Weil es dort die besten Kindergärten und das beste Gesundheitssystem gibt“, worauf Kurz konterte: „Ich sage ja, die bekommen mehr Geld als die anderen.“
Die Klimadebatte war deutlich von der Angst vor „österreichischen Gelbwesten“geprägt, also der Befürchtung, dass rigide Maßnahmen im Verkehr, an der Zapfsäule zu sozialen Verwerfungen führen könnten. „Wir müssen den Klimawandel mit Hausverstand bekämpfen, nicht mit Schnellschüssen“, formulierte es Kurz. Rendi-Wagner warnte davor, „die Umweltpolitik gegen die Sozialpolitik auszuspielen“. Der Konter von Pilz folgte auf dem Fuß: „Sozialpolitik machen wir nicht über die Zapfsäule.“Meinl-Reisinger forderte einen Mittelweg: „Es geht beides, CO2 bepreisen und gleichzeitig die Menschen entlasten.“Hofer setzt in der Klimafrage auf den technischen Fortschritt und machte sich einmal mehr für die Nahverkehrsmilliarde, die Städten wie Graz, Linz, Salzburg zugutekommen würde, stark. Skeptischer Kogler: „Niemand traut sich zu sagen, dass wir große Räder drehen müssen.“Die Bildungsdebatte brachte wenig Neues. Während sich Kurz zu einem differenzierten Schulsystem inklusive Noten und Deutschklassen bekannte, erklärte Rendi-Wagner: „Bildung ist eine Schutzimpfung fürs ganze Leben.“Kogler fragte, warum Uni-Professoren „zehnmal mehr als Kindergärtner“verdienen. Meinl-Reisinger sorgt sich um das „Mobbying per Handy, das viele Kinder ins Unglück stürzt“.
Launig die Abschlussrunde, ob man etwas Positives über den Nachbarn sagen könne. „Ein gut gelaunter Zeitgenosse“, so Rendi-Wagner über Kogler, „der mir etwas zu oft versucht, die Welt zu erklären.“Kurz über Rendi-Wagner: „Ganz viel Positives, ich habe schon befürchtet, ich muss was über Pilz sagen.“Kogler über Hofer: „Er war einmal ein engagierter Umweltpolitiker. Ich schätze seine Handschlagqualität.“Bösartig Meinl-Reisinger über Pilz: „Ich finde Ihre Reden unterhaltsam. Sie werden mir fehlen.“