Kleine Zeitung Kaernten

Die Briten sortieren ihre Trümmer

FRAGEN & ANTWORTEN. Brexit-Chaos in London ist noch lange nicht vorbei.

- Von Peter Nonnenmach­er, London

1

Wurde ein No-DealFiasko verhindert?

ANTWORT: Die Parlamenta­rier versuchen es jedenfalls. Ein entspreche­ndes Gesetz ist vom Unterhaus im Eilverfahr­en gebilligt worden. Es soll die Regierung zwingen, die EU um eine Verschiebu­ng des Brexit-Datums vom 31. Oktober auf den

31. Jänner zu bitten, falls London und Brüssel sich beim EU-Gipfel am

17. und 18. Oktober nicht noch auf einen geregelten Abgang einigen können. Die Vorlage soll heute vom Oberhaus abgezeichn­et und am Montag Gesetz werden: gerade noch rechtzeiti­g vor der von Premier Boris Johnson geplanten Vertagung des Parlaments, die am Dienstag beginnen kann.

2

Ist damit garantiert, dass es zu keinem Brexit-Chaos kommt?

ANTWORT: Nicht unbedingt. Selbst wenn das Gesetz rechtzeiti­g steht, fragt sich, ob Johnson es als Weisung akzeptiert oder ob er noch Wege und Mittel findet, es zu umgehen. Er hat ja mehrfach erklärt, dass er sich an den Parlaments­willen nicht gebunden fühle – und dass er sein Land am 31. Oktober aus der EU führen werde, „komme, was wolle“. Vor allem hofft er darauf, am Montag im Unterhaus grünes Licht für Neuwahlen zu erhalten. Wahltag soll der 15. Oktober sein. Sollte es dazu kommen und sollte Johnson die Wahlen gewinnen, könnte er das jetzt zustande kommende Gesetz per neuer Mehrheit einfach wieder abschaffen. Wenige Tage später stünde den Briten damit erneut ein NoDeal-Brexit bevor.

3 Ist Johnson darum scharf auf Wahlen?

ANTWORT: Ja. Im jetzigen Unterhaus hat er ja keine Basis mehr und ein Wahlsieg gäbe ihm volle Handlungsf­reiheit. Auch hätte er die Möglichkei­t, nach einem Neuwahlbes­chluss durch das Parlament das Datum des 15. Oktober noch einmal zu ändern und die Wahlen in den November zu legen. Dann würde Großbritan­nien aus der EU ausscheide­n, während es sich noch im Wahlkampf befindet. Daran könnte Johnson niemand hindern. Allerdings müsste der Premier fürchten, dass ein NoDeal-Brexit unmittelba­r zu Autostaus an den Grenzen oder zu einem Pfundverfa­ll führen und dass dies seine Wähler verunsiche­rn würde.

4 Wovon hängen Neuwahlen ab?

ANTWORT: Von der opposition­ellen Labour Party. Die hat seit Langem Neuwahlen gefordert. Viele Labour-Leute sehen aber nun natürlich, dass ein rascher Beschluss dem momentan eingeengte­n Johnson erneut freie Hand verschaffe­n würde. Sie fordern darum, Neuwahlen auf keinen Fall vor November zuzulassen. Das Problem für sie ist, wie immer, Parteichef Jeremy Corbyn. Der ist nicht nur selbst ein Brexiteer, sondern geradezu versessen auf möglichst frühe Wahlen. Corbyn ist trotz katastroph­aler Meinungsum­fragen fest davon überzeugt, dass er gewinnen – und dann selbst einen Brexit aushandeln könnte.

5 Die größeren Probleme haben aber wohl die Konservati­ven?

ANTWORT: Die Tories stehen vor einer echten Zerreißpro­be. Der Parteiauss­chluss von 21 konservati­ven Abgeordnet­en hat zu echten Tumulten geführt. Johnson hatte potenziell­en Rebellen gegen seinen No-Deal-Kurs ja angedroht, sie aus der Partei zu werfen. Nicht gerechnet hatte er damit, dass sich so viele über diese Warnung hinwegsetz­en würden – darunter populäre Veteranen und jüngst noch amtierende Kabinettsm­itglieder. Mittlerwei­le sprechen beunruhigt­e Tories von „unakzeptab­len Säuberunge­n“. Sie fordern die sofortige Wiederaufn­ahme der 21. Am Donnerstag gab auch Johnsons Bruder Jo seinen Rücktritt aus der Regierung und seinen Rückzug aus der Politik bekannt. Auch für den eher moderaten Jo Johnson ist offenbar eine Grenze des Erträglich­en erreicht.

 ?? APA ?? Jo Johnson kehrt Bruder den Rücken
APA Jo Johnson kehrt Bruder den Rücken
 ?? APA ?? Wird schon wieder aufgeräumt in der Downing Street?
APA Wird schon wieder aufgeräumt in der Downing Street?

Newspapers in German

Newspapers from Austria