Literarischer Chronist mit Hang zum Widerstand
Dichter, Essayist und Briefautor: Von Michael Guttenbrunner liegen Zehntausende Briefe im Musil-Institut.
Es löste 1947 in Klagenfurt einen veritablen Skandal aus, als die 28-jährige Maria Lassnig ein Aktbild von Michael Guttenbrunner bei einer Ausstellung des Kunstvereins zeigte. Bis vor Kurzem war es übrigens in der „Lassnig – Rainer“-Schau im MMKK in Klagenfurt zu sehen. Morgen würde der aus Althofen stammende Schriftsteller, den anfangs eine Liebesbeziehung, später eine jahrelange Freundschaft mit der Malerin verband, seinen 100. Geburtstag feiern. Maria Lassnig war nur einen Tag jünger als er (siehe rechts).
Über Jahrzehnte
reicht „der Briefwechsel zwischen Guttenbrunner und Lassnig, der zu den interessantesten Teilen des Nachlasses des Dichters zählt“, freut sich Elmar Lenhart vom Musil-Institut, das die Lebenszeugnisse des fleißigen Briefschreibers aufarbeitet. Werkmanuskripte, Sammelstücke und Dokumente sowie die umfangreiche Korrespondenz Michael Guttenbrunners geben Einblick in das intellektuelle Leben des Dichters, der mit vielen großen Namen der Zeit in regem Gedankenaustausch stand.
„Wir haben Zehntausende Briefe, Guttenbrunner muss täglich an die zehn Briefe geschrieben haben.“Sowohl Lassnig (2013) als auch Guttenbrunner (1994) erhielten ein Ehrendoktorat der Universität Klagenfurt. Dort wird für April 2020 gerade eine Ausstellung über Ehrendoktoren aus dem Kunstbereich vorbereitet, in der auch Teile des Briefwechsels zu sehen sein werden. Und sonst? „Man liest viel über Guttenbrunner, aber wenig von ihm“, bedauert der Literaturwissenschaftler Lenhart, der vor allem das aphoristische Schreiben und die Kurzprosa des Dichters und Essayisten für einzigartig hält.
Der politische Autor
und Antifaschist Guttenbrunner publizierte seit Mitte der 1940er-Jahre Lyrik und Prosa. Geboren als eines von acht Kindern eines Pferdeknechts, lehnte er sich schon früh gegen Ungerechtigkeit auf. Während des Zweiten Weltkriegs landete er mehrfach wegen „Widersetzlichkeit“im Gefängnis. Obwohl ein Außenseiter des Literaturbetriebs, wurde Guttenbrunner oft ausgezeichnet: mit dem Georg-Trakl-Preis (1954), dem Österreichischen Staatspreis für Literatur (1966), dem Kärntner Kulturpreis (1987) und dem Großen Goldenen Ehrenzeichen des Landes (1994).
Verheiratet
war Michael Guttenbrunner mit der Tochter von Carl Zuckmayer. Die 93jährige Winnetou Guttenbrunner (ihre Mutter wünschte sich einen Sohn) lebt heute im Waldviertel. Und sie war es, die dem Musil-Institut einen Teilbestand des Nachlasses ihres Vaters (der zum Großteil im Literaturarchiv Marbach liegt) übergab. Darunter sind auch Briefe über das Verhältnis Zuckmayers zu ihrem Mann Michael Guttenbrunner. – Zeugnisse einer Welt von gestern, über die man mehr lesen möchte!