Jury in der Zwickmühle
Keine klaren Favoriten für die Löwen.
Die Wettbewerbsjury ist in der Zwickmühle. Wie geht man mit Roman Polanski und seinem Drama „J’accuse“um? Sollte er keinen Preis bekommen, könnte der Jury Voreingenommenheit vorgeworfen werden, zählte der von der Kritik hochgelobte Film doch zu den starken Beiträgen. Aber was für ein Signal wäre es in MeTooZeiten, den 86-jährigen Regisseur auszuzeichnen?
Der Wettbewerb bot aber durchaus Auswege – auch wenn das Festival keinen klaren Favoriten hervorgebracht hat. Pablo Larrains „Ema“dürfte zum engeren Kreis zählen: die Geschichte eines unkonventionellen Paares, das nach der gescheiterten Adoption die Koordinaten der eigenen Beziehung neu festlegt.
Vom Auftakt-Duo Juliette Binoche und Catherine Deneuve bis zu Kristen Stewart in „Seberg“– Frauen konnten starke Akzente setzen. Trotz der Tatsache, dass nur zwei Regisseurinnen in den Wettbewerb eingeladen waren: Shannon Murphy zeigte mit „Babyteeth“ein sensibles Familiendrama, Haifaa Al Mansour gibt in „The Perfect Candidate“Einblick in die verschlossene Gesellschaft Saudi-Arabiens. Als beste Darsteller drängt sich Joaquin Phoenix für sein intensives Spiel als Joker auf. Adam Driver („The Marriage Story“) wäre die deutlich feinfühligere Alternative.
Vielleicht wird kurz vor Schluss alles noch einmal auf den Kopf gestellt. „Waiting for the Barbarians“bringt mit Johnny Depp und Robert Pattinson noch einmal Starrummel.