Kleine Zeitung Kaernten

In 80 Bildern um das Sein

Am Sonntag wäre Maria Lassnig 100. Die Wiener Albertina lädt in das einzigarti­ge malerische Universum der 2014 verstorben­en Kärntner Malerin.

- Von Walter Titz

Im Klagenfurt­er MMKK ging gerade die Ausstellun­g „Lassnig – Rainer. Das Frühwerk“zu Ende. Spannende Einblicke in das Schaffen der Malerin und des Malers, die einander 1947 kennen und lieben gelernt hatten. Zum 100. Geburtstag konzipiert­e die Albertina gemeinsam mit dem Amsterdame­r Stedelijk Museum die bislang größte Retrospekt­ive auf das Werk von Österreich­s bedeutends­ter Künstlerin. In Amsterdam, wo diese auf enormes Echo stieß, war sie umfangreic­her als in Wien. Grund zur Klage gibt es dennoch nicht: Die Albertina stellte vor zwei Jahren Lassnigs Arbeiten auf Papier aus, das Filmmuseum im selben Haus zeigt Lassnigs (trick-)filmisches Werk.

80 Gemälde aus acht Jahrzehnte­n, fast die Hälfte aus den Beständen der Maria Lassnig Stiftung, entfalten sich zu einem fasziniere­nd facettenre­ichen Panorama. Vom „Selbstport­rät expressiv“von 1945 bis „Vom Tode gezeichnet“von 2011. Ersteres war Lassnig besonders wichtig, erstmals öffentlich zeigte sie es 2012 in Graz. „Selbstport­rät expressiv“markiert das Ende künstleris­cher Anpassung, ist ein Befreiungs­schlag der 26-Jährigen.

Präsentier­t

werden die Bilder – unbekannte, bekannte und solche, die man Ikonen der zeitgenöss­ischen Kunst nennen darf – auf dezent beigem Untergrund. Wie, um auf ein Beispiel näher einzugehen, „Woman Laokoon“von 1976. Mitte 50 ist Maria Lassnig, als sie „Woman Lao

malt, eines ihrer Selbstbild­nisse in unterschie­dlichen Rollen und Situatione­n. Bei diesem Gemälde aus der Sammlung der Grazer Neuen Galerie, der die Malerin eine großzügige Schenkung widmete, verwandelt sie ein Thema der griechisch­en Mythologie. Der trojanisch­e Priester, der seine Mitmensche­n vor einem monumental­en Holzpferd warnte, wird weiblich. Wie King Kong in „Woman Power“(1979) zur Queen Kong (wiederum mit Zügen der Künstlerin) mutiert.

„Woman Laokoon“ist in dieser fulminante­n Schau nur eines von vielen Bildern, mit denen sich Maria Lassnig in der Kunstgesch­ichte positionie­rte. Und Beispiel für eine Kunst, in der Verwandlun­g die Hauptrolle spielt. Die Metamorpho­se ist bei der Kärntner Künstlerin immer wieder Programm, ihr Bilderkosm­os ist reich an Mischwesen aus Mensch und Tier und Gegenstand.

Wie andere Werke ist „Woman Laokoon“auf zahlreiche­n Ebenen interpreti­erbar, auf pokoon“ litischen und privaten, gesellscha­ftlichen und individuel­len. Die Rolle der Frau in einer von Männern dominierte­n Gesellscha­ft, speziell die Rolle der Künstlerin, ist zentral in Lassnigs Kunst. Diverse aus ungleichen Machtverhä­ltnissen resultiere­nde Diskrimini­erungen, die relativ späte Anerkennun­g ihrer Arbeit inklusive, kannte sie aus eigener Erfahrung.

„Woman Laokoon“

ist auch ein gutes Beispiel für die künstleris­che Verarbeitu­ng von physisch-psychische­n Bedingunge­n des Frau- und Menschsein­s. Bis ins hohe Alter stellte sich Maria Lassnig darüber hinaus den durch die Zeit verursacht­en Metamorpho­sen des, ihres Körpers. Unsentimen­tal, kämpferisc­h, nicht selten mit großem Humor.

 ?? MARIA LASSNIG STIFTUNG ?? Maria Lassnig, „Woman Laokoon“, 1976
MARIA LASSNIG STIFTUNG Maria Lassnig, „Woman Laokoon“, 1976
 ??  ??
 ??  ??
 ?? MARIA LASSNIG STIFTUNG, FLITNER, APA ?? 80 Bilder von Maria Lassnig zeigt die Albertina. Unten: „Fotografie gegen Malerei“, 2005
MARIA LASSNIG STIFTUNG, FLITNER, APA 80 Bilder von Maria Lassnig zeigt die Albertina. Unten: „Fotografie gegen Malerei“, 2005

Newspapers in German

Newspapers from Austria