Fitzcarraldo vom Wörthersee
Im Klagenfurter Wörthersee-Stadion wird Wahnwitz Wirklichkeit. Doch wird der Wald im Stadion auch seine Wirkung entfalten?
Eine hagere Gestalt, durchdringende Augen und tiefe Furchen im Gesicht, steht vor grünem Laubwerk und sinniert über einen Traum, der ihn seit Jahren rastlos sein lässt.
Man kann an dieser Stelle zwei Namen einsetzen, sie würden jeweils passen: Klaus Kinski in seiner Kult-Rolle als Fitzcarraldo, das ist jener Mann, der ein Dampfschiff über einen Berg zerren ließ, um sich den Traum eines Opernhauses zu verwirklichen. Oder auch Klaus Littman, Umsetzer des als „For Forest“firmierenden Waldes im Klagenfurter Stadion.
Gestern wurde dieser der Medienöffentlichkeit präsentiert, damit die 30.000 Sitzplätze dieses – für die Einwohnerzahl im Einzugsgebiet – völlig überdimensionierten Stadions bei der Eröffnung am Sonntag auch halbwegs gefüllt werden. Es soll schließlich ein Bild um die Welt gehen, wenn möglich ein beeindruckendes. Dass dies gelingen wird, ist mittlerweile klar – genau genommen seit zwei Wochen. Erst als der erste Baum von der Horizontalen in die Vertikale kam, so bekennt Littmann mittlerweile freimütig, sei ihm klar geworden, dass der
Kontrast zwischen Stahl, Beton und der frappant natürlich anmutenden Imitation eines Waldes ein Bild entstehen lassen wird. Nicht eine Blaupause der Dystopie Max Peintners, die Ausgangspunkt war, sondern ein Bild mit eigener Kraft und Wirkung. Wieder grüßt Fitzcarraldo: getrieben, unbeirrbar bereit, ein Risiko zu nehmen.
Im Film – er ist im Rahmenprogramm von „For Forest“zu sehen – scheitert Kinski daran, das Opernhaus im Urwald zu errichten. Stattdessen wird in der Schlussszene auf dem ausrangierten Dampfer ein einziges Mal eine Oper aufgeführt. Ein Traum wird wahr – während L man am Ganzen scheitert. ittmann steht mit seinem Wald an genau diesem Punkt. Man wird noch über Jahre von diesem Schweizer reden, der einen Wald in das Stadion am Wörthersee verpflanzte. Nicht nur in Kärnten, weltweit. Aber: Welchen nachhaltigen Beitrag wird das Projekt haben, wenn es darum geht, Umweltbewusstsein auf breiter Basis zu verankern? Der Immobilien-Unternehmer, der als Sponsor auftritt, sagt, er wolle vertikale Begrünungen einbauen, vermehrt auf den Rohstoff Holz setzen. Derweil warten mit „For Forest“gebrandete Limousinen mit dekadentem Benzinverbrauch vor dem Stadion.
Peintner fand eine treffende Umschreibung für die präsentierte Szenerie: „Dieses Stadion steht wie ein Schutzwall um den Wald.“Doch wer löscht die brennenden Lungen der Welt und baut – gesetzlich, moralisch, gar faktisch – einen Schutzwall um sie herum? Es ist nicht an Littmann, eine Antwort zu liefern, aber wenn sein Bild die Debatte anheizt, entfaltet Z der Wahnwitz Wirkung. u guter Letzt eine Frage, die hilft, das Geschehen in einen Kontext zu setzen: Wer schoss die Tore, als Österreich vor einem Jahr Deutschland bei einem Fußballspiel in Klagenfurt besiegte? Eben. So viel zur Nachhaltigkeit von drei Mal 90 Minuten Kick in der Europa League.