Kleine Zeitung Kaernten

Fitzcarral­do vom Wörthersee

Im Klagenfurt­er Wörthersee-Stadion wird Wahnwitz Wirklichke­it. Doch wird der Wald im Stadion auch seine Wirkung entfalten?

- Von Thomas Cik thomas.cik@kleinezeit­ung.at

Eine hagere Gestalt, durchdring­ende Augen und tiefe Furchen im Gesicht, steht vor grünem Laubwerk und sinniert über einen Traum, der ihn seit Jahren rastlos sein lässt.

Man kann an dieser Stelle zwei Namen einsetzen, sie würden jeweils passen: Klaus Kinski in seiner Kult-Rolle als Fitzcarral­do, das ist jener Mann, der ein Dampfschif­f über einen Berg zerren ließ, um sich den Traum eines Opernhause­s zu verwirklic­hen. Oder auch Klaus Littman, Umsetzer des als „For Forest“firmierend­en Waldes im Klagenfurt­er Stadion.

Gestern wurde dieser der Medienöffe­ntlichkeit präsentier­t, damit die 30.000 Sitzplätze dieses – für die Einwohnerz­ahl im Einzugsgeb­iet – völlig überdimens­ionierten Stadions bei der Eröffnung am Sonntag auch halbwegs gefüllt werden. Es soll schließlic­h ein Bild um die Welt gehen, wenn möglich ein beeindruck­endes. Dass dies gelingen wird, ist mittlerwei­le klar – genau genommen seit zwei Wochen. Erst als der erste Baum von der Horizontal­en in die Vertikale kam, so bekennt Littmann mittlerwei­le freimütig, sei ihm klar geworden, dass der

Kontrast zwischen Stahl, Beton und der frappant natürlich anmutenden Imitation eines Waldes ein Bild entstehen lassen wird. Nicht eine Blaupause der Dystopie Max Peintners, die Ausgangspu­nkt war, sondern ein Bild mit eigener Kraft und Wirkung. Wieder grüßt Fitzcarral­do: getrieben, unbeirrbar bereit, ein Risiko zu nehmen.

Im Film – er ist im Rahmenprog­ramm von „For Forest“zu sehen – scheitert Kinski daran, das Opernhaus im Urwald zu errichten. Stattdesse­n wird in der Schlusssze­ne auf dem ausrangier­ten Dampfer ein einziges Mal eine Oper aufgeführt. Ein Traum wird wahr – während L man am Ganzen scheitert. ittmann steht mit seinem Wald an genau diesem Punkt. Man wird noch über Jahre von diesem Schweizer reden, der einen Wald in das Stadion am Wörthersee verpflanzt­e. Nicht nur in Kärnten, weltweit. Aber: Welchen nachhaltig­en Beitrag wird das Projekt haben, wenn es darum geht, Umweltbewu­sstsein auf breiter Basis zu verankern? Der Immobilien-Unternehme­r, der als Sponsor auftritt, sagt, er wolle vertikale Begrünunge­n einbauen, vermehrt auf den Rohstoff Holz setzen. Derweil warten mit „For Forest“gebrandete Limousinen mit dekadentem Benzinverb­rauch vor dem Stadion.

Peintner fand eine treffende Umschreibu­ng für die präsentier­te Szenerie: „Dieses Stadion steht wie ein Schutzwall um den Wald.“Doch wer löscht die brennenden Lungen der Welt und baut – gesetzlich, moralisch, gar faktisch – einen Schutzwall um sie herum? Es ist nicht an Littmann, eine Antwort zu liefern, aber wenn sein Bild die Debatte anheizt, entfaltet Z der Wahnwitz Wirkung. u guter Letzt eine Frage, die hilft, das Geschehen in einen Kontext zu setzen: Wer schoss die Tore, als Österreich vor einem Jahr Deutschlan­d bei einem Fußballspi­el in Klagenfurt besiegte? Eben. So viel zur Nachhaltig­keit von drei Mal 90 Minuten Kick in der Europa League.

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