Kleine Zeitung Kaernten

„Wer kennt schon seinen Onkel fünften Grades?“

INTERVIEW. Emanuel und Stefan Prinz von und zu Liechtenst­ein sind die Schlossher­ren von Rosegg und betreiben den Tierpark. Ein Gespräch über 300 Jahre Fürstentum, Frauenrech­te und das Verfüttern von Fleisch.

- Interview: Thomas Cik

Bevor das eigentlich­e Interview beginnt, eine Frage zum Abklären: Man spricht Sie als „Prinzen von und zu“an?

STEFAN LIECHTENST­EIN: Ich würde sagen: einfach Liechtenst­ein. Bei uns gibt es keine falschen Anreden, ich bin ja auch Diplomat ...

Also muss ich Exzellenz sagen?

STEFAN LIECHTENST­EIN: (lacht) Hören Sie auf, wir sind in Kärnten.

Das führt zur eigentlich­en Einstiegsf­rage: Was ist Kärnten für Sie?

STEFAN LIECHTENST­EIN: Da sind wir aufgewachs­en, da wollen wir begraben werden.

EMANUEL LIECHTENST­EIN: Aber erst in ein paar Jahren! Hier sind wir einfach erdverbund­en. Wobei das Wort Heimat würde ich ohnehin weiter fassen. Wir haben Vorfahren, die in Italien, Ungarn, halb Mitteleuro­pa lebten. Da sehen wir uns daheim.

STEFAN LIECHTENST­EIN: Liechtenst­ein ist dagegen etwas, das über das Land hinaus geht. Natürlich fühlen wir uns dem Fürstentum verbunden, ich habe dort gelebt, bin im Moment Botschafte­r beim Heiligen Stuhl, vertrete dort Staatsober­haupt und Regierung. Es ist eine Verantwort­ung, Verpflicht­ung, Verbundenh­eit. 150 Menschen tragen diesen Namen.

Auf welcher Stelle stehen Sie in der Thronfolge?

EMANUEL LIECHTENST­EIN: Ich habe nie nachgezähl­t, schätzungs­weise Platz 70, die Verwandtsc­haft ist weit, aber man hat ein Thema, das einen zusammenar­beiten lässt.

Eines dieser Themen ist das Fürstentum an sich, das heuer 300 Jahre alt wurde. Vielfach wurde in diesem Jahr diskutiert, ob die Staatsform mit einem so starken Monarchen noch zeitgemäß ist.

STEFAN LIECHTENST­EIN: Ich gehe jetzt so weit und sage: Kein Staat hat mehr Demokratie als Liechtenst­ein, nicht einmal die Schweiz. Wir bringen seit vier, fünf Generation­en jedes Thema zur Abstimmung, leben direkte Demokratie und packen in Sachfragen nicht sonstige Emotionen hinein, die es gerade gegen die Politik gibt. Das getrauen sich große Staaten nicht. Da kommt es in Notfällen zu einer Abstimmung und dann sind die Leute überforder­t – siehe Brexit. Unser

System zwingt die Politik in Liechtenst­ein, nah an der Bevölkerun­g zu arbeiten.

Und der Fürst hat dann ein umfassende­s Veto-Recht.

STEFAN LIECHTENST­EIN: Das haben präsidiale Demokratie­n wie die USA und Frankreich auch.

Ihr Familienge­setz kann man hingegen nicht zeitgemäß nennen. Frauen sind aus der erblichen Thronfolge ausgeschlo­ssen.

STEFAN LIECHTENST­EIN: Diese Tradition ist noch älter als das Fürstentum und – selbst, wenn das nach außen nicht so leicht zu vermitteln ist – es bewirkt irrsinnige­n Zusammenha­lt in der Familie. Bei Wendepunkt­en in der Geschichte, etwa als die Nazis gegen den Fürsten putschen wollten, war dieser Zusammenha­lt entscheide­nd für Liechtenst­ein.

EMANUEL LIECHTENST­EIN: Es ist auch eine Regel, die von der Gegetragen wird – und wir sind allesamt moderne Menschen mit modernen Berufen, kein verschrobe­ner Haufen.

Sie haben gemeinsam vier Töchter – haben die diese Schlechter­stellung nie hinterfrag­t?

STEFAN LIECHTENST­EIN: Im konkreten Fall wirklich nicht und wir sprechen viel über Politik.

EMMANUEL LIECHTENST­EIN: Sie sehen auch die Vorteile dieser Großfamili­e. Wer kennt sonst seinen Onkel fünften Grades und fühlt sich ihm verbunden?

Vor bald 50 Jahren wurde der Tierpark geöffnet, 1995 das Schloss. Welche Pläne verfolgen Sie in Rosegg?

STEFAN LIECHTENST­EIN: Wir haben vor dem Schloss den 100 Jahre alten Wald weggenomme­n, damit man wieder den Blick ins Rosental hat und haben das Schloss saniert. Jetzt wollen wir es auch als Location etwa für Firmen oder Hochzeiten zur Verfügung stellen.

EMANUEL LIECHTENST­EIN: Beim Tierpark bin ich weit optimistis­cher, als ich es noch vor 15, 20 Jahren war. Uns kommt der Zeitgeist entgegen, denn wir hielten die Tiere immer schon naturnah. Mittlerwei­le haben wir das mit den Waldrappen auch bei Vögeln geschafft, mit einem Projekt, das weltweit einzigarti­g ist. In unserem Park müssen sich die Besucher zurücknehm­en, um die Tiere zu sehen, das verlangt Disziplin. Gleichzeit­ig kam uns die neue Zoodirekti­ve entgegen. Jetzt dürfen wir wieder das Fleisch füttern, das in unserer Landwirtsc­haft nachwächst und müssen nicht aus der Massentier­haltung zukaufen. In vielen Zoos war es ja üblich, früh zu verfüttern, damit dann bei den Besuchern alles schön sauber ist. Bei uns kam das Fressen mit Haut und Haasamthei­t ren, und mittlerwei­le weiß man, dass das auch für die Besucher gut so ist.

Hätten Sie die österreich­ische Staatsbürg­erschaft, könnten sie in drei Wochen wählen. Je darüber nachgedach­t?

STEFAN LIECHTENST­EIN: Vor 20 Jahren hätte es mich gereizt, in die Politik zu gehen, aber dann wurde ich Diplomat, zwei Herren kann man nicht dienen. Seither kam das Thema nicht auf.

Was erwarten Sie sich bis zum und nach dem 29. September von der Politik?

STEFAN LIECHTENST­EIN: Bis dahin: Einen erträglich­en Wahlkampf, wobei ich ihn nicht als so schlimm empfinde. Danach: Reformen.

EMANUEL LIECHTENST­EIN: Man sollte zum Beispiel der Landwirtsc­haft den Raum lassen, dass Lebensmitt­el weiter in Europa produziert werden können. Warum müssen wir Steaks über den Ozean schiffen, wenn wir hier gute haben?

STEFAN LIECHTENST­EIN: Auch die anderen Themen kennt man: die Vereinbark­eit von Beruf und Familie, die soziale Schere, die digitale Disruption, Demografie. Es gibt ja immer wieder die Behauptung, dass 2030 in Deutschlan­d sechs Millionen Arbeitskrä­fte fehlen werden, gleichzeit­ig setzt die Digitalisi­erung ein – vielleicht werden es sechs Millionen Arbeitskrä­fte zu viel? Dieses Beispiel zeigt: Die Zeit ist zu wichtig, um Sie Populisten zu überlassen.

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WEICHSELBR­AUN Die beiden Prinzen im Gespräch mit Thomas Cik
 ?? WEICHSELBR­AUN ?? Emanuel und Stefan Liechtenst­ein vor dem Schloss Rosegg, das auch für die Öffentlich­keit zugänglich ist
WEICHSELBR­AUN Emanuel und Stefan Liechtenst­ein vor dem Schloss Rosegg, das auch für die Öffentlich­keit zugänglich ist

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