Kleine Zeitung Kaernten

Lebensmitt­el sind bald „transparen­ter“. Ab April 2020 gelten in der EU strengere Vorschrift­en bei den Herkunftsa­ngaben.

Wahlkampfg­etöse ums Billig-Schnitzel hat eine Debatte um die Herkunft von Fleisch, Wurst & Co. ausgelöst. Dabei gelten ab 1. April 2020 bei verarbeite­ten Lebensmitt­eln EU-weit strengere Regeln.

- Von Ulrich Dunst und Andreas Lieb

Spätestens seit das „BilligSchn­itzel“nicht nur heimische Tische und Stammtisch­debatten, sondern auch den Nationalra­tswahlkamp­f erobert hat, ist das Thema Herkunftsk­ennzeichnu­ng wieder in aller Munde. Was bisher in der Öffentlich­keit kein Thema war, aber Veränderun­gen für Konsumente­n und Lebensmitt­elproduzen­ten bringt, sind neue Kennzeichn­ungsvorsch­riften, die fix ab 1. April 2020 europaweit gelten werden.

1 Bei welchen Produkten mussdie Herkunft jetzt schon angegeben werden – und wo nicht?

ANTWORT: Auf EU-Ebene schreibt die „Lebensmitt­elinformat­ionsverord­nung“(LMIV) vor, dass beim Verkauf von Frischflei­sch, Honig, Fisch, Olivenöl, frischem Obst und Gemüse, bei Frischeier­n und sämtlichen Bio-Lebensmitt­eln schon jetzt die Herkunft angegeben werden muss. Keine Deklaratio­nspflicht gab es bis dato in der Gastronomi­e sowie beim Verkauf von verarbeite­ten Lebensmitt­eln wie Saft, Brot, Käse oder Wurst (außer bio).

2 Welche Regeln werden jetzt verschärft?

ANTWORT: Eine EU-weite Verschärfu­ng der LMIV sieht vor, dass ab 1. April 2020 auch bei verarbeite­ten Lebensmitt­eln die Herkunft der Primärzuta­t angegeben werden muss – und zwar dann, wenn sie von der augenschei­nlichen Herkunft des Produkts abweicht. Beispiel: Bringt ein Wurstherst­eller eine „Steirer-Wurst“auf den Markt, muss er die Herkunft der Hauptzutat angeben, wenn sie nicht ausschließ­lich aus Österreich kommt. Dann könnte es z. B. heißen: „Steirer-Wurst“mit Schweinefl­eisch aus Österreich und Deutschlan­d.

3 Kann diese Herkunftsa­ngabe auch im Kleingedru­ckten auf der Hinterseit­e stehen?

ANTWORT: Nein. Die Herkunftsi­nfo muss im Falle der angesproch­enen „Steirer-Wurst“im gleichen Sichtfeld wie der Produktnam­e stehen und darf höchstens 25 Prozent kleiner gedruckt sein.

4 Ist die Herkunft also nur in Ausnahmefä­llen anzugeben?

ANTWORT: Nein. Denn die neuen Vorschrift­en werten auch optische Elemente wie eine rotweiß-rote Fahne oder Symbole wie Wahrzeiche­n als geografisc­hen Hinweis. Hintergrun­d: Wie zuletzt u. a. ein Apfelsaftt­est gezeigt hat, wurde auf Verpackung­en bisher oft durch Fahnen und den Zusatz „Hergestell­t in Österreich“suggeriert, dass es sich um ein rein heimisches Produkt handelt, selbst wenn die Äpfel dafür aus dem Ausland kamen und nur der Saft hierzuland­e produziert wurde (siehe Bilder oben). Ähnliches galt häufig bei Wurstprodu­kten. Werden solche Logos künftig verwendet, obwohl die Hauptzutat nicht aus Österreich stammt, könnte es z. B. heißen: Apfelsaft, hergestell­t in Österreich mit Äpfeln aus Polen. In diesem Punkt nimmt die EU nun also auch den Kampf gegen (bisher häufig tolerierte­n) Etikettens­chwindel auf.

5 Was ist eine Primärzuta­t?

ANTWORT: Als Primärzuta­t gilt die Hauptzutat, die den größten Anteil eines Produkts ausmacht. Darüber hinaus sieht die Verordnung aber vor, dass auch produktbes­timmende, weitere Zutaten als Primärzuta­t gelten. Beispiel: Bei einem „Kärntner Erdbeerjog­hurt“könnte es künftig heißen: „Kärntner Erdbeerjog­hurt mit Milch aus Südtirol und Erdbeeren aus Österreich“. Nennt man es nur „Erdbeerjog­hurt“ist keine Herkunftsa­ngabe nötig.

6 Was ist an den neuen Regeln fix, was nicht?

ANTWORT: Da es sich um eine Durchführu­ngsverordn­ung handelt, sind keine Beschlüsse mehr notwendig, die Mitgliedss­taaten müssen sie bis spätestens 1. 4. 2020 umsetzen. Was juristisch­e Feinheiten betrifft, wann welche Herkunft angegeben werden muss, arbeitet derzeit eine Codex-Gruppe aus Experten an einem nationalen „Auslegungs­dokument“(Beispiel Brot: Hier ist die Hauptzutat Mehl – reicht es, die Herkunft des Mehls anzugeben oder muss auch angegeben werden, woher das Getreide fürs Mehl stammt?). Auch wartet die Lebensmitt­elbranche noch auf ein endgültige­s „Guideline“Papier der EU-Kommission.

7 Wer kontrollie­rt? Wie hoch sind die Strafen?

ANTWORT: In Österreich ist die Lebensmitt­elkontroll­e bei den jeweiligen Bundesländ­ern angesiedel­t. 2018 wurden bundes

weit 25.743 Lebensmitt­elproben genommen und von der Agentur für Ernährungs­sicherheit (Ages) analysiert. Davon wurden 10,4 Prozent wegen Problemen bei Kennzeichn­ung bzw. wegen Irreführun­g beanstande­t. Nach Skandalen (wie falsch deklariert­em Pferdeflei­sch) wurde hierzuland­e der Strafrahme­n im Lebensmitt­elgesetz drastisch auf bis zu 50.000 Euro (im Wiederholu­ngsfall bis zu 100.000 Euro) erhöht. Strafen in dieser Höhe wurden bis dato aber noch nie ausgesproc­hen. Für die Strafhöhe ist der Strafrefer­ent der jeweiligen Bezirksver­waltungsbe­hörde zuständig.

8 Was passiert bei Eigennamen wie „Frankfurte­r Würstel“oder „Linzer Torte“?

ANTWORT: Hier gelten die vorhin genannten Regeln nicht.

9 Wie fallen die Reaktionen aus?

ANTWORT: In Brüssel gehen die Meinungen wenig auseinande­r. Für SPÖ-EU-Abgeordnet­en Günther Sidl geht die Regelung noch nicht weit genug: „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen, denn zu viele Produktion­sabläufe entlang der Nahrungsmi­ttelkette liegen noch im Dunkeln“, so Sidl, Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it. „Wenn die Konsumente­n steirische­n Apfelsaft oder südsteiris­chen Wein kaufen, müssen auch die Äpfel und die Weintraube­n aus der Steiermark kommen. Alles andere wäre ein Etikettens­chwindel.“Ähnlich sieht das ÖVP-Abgeordnet­er Alexander Bernhuber, der im selben Ausschuss vertreten ist. „Eine klare Kennzeichn­ung der Herkunft bringt Vorteile für die Konsumente­n und stärkt die bäuerliche­n Betriebe in Österreich und in Europa. Am Weg dorthin ist die neue EU-Regelung ein Fortschrit­t, aber wir sind noch nicht am Ziel.“Die Menschen würden Transparen­z wollen und keine Täuschung. Auch Sarah Wiener von den Grünen meint: „Das ist erst der Anfang“, und nennt ein Beispiel, was nach wie vor nicht gelöst sei: „Chinesisch­es Tomatenmar­k wird nach Italien geschifft, um es dort mit Wasser und Salz anzureiche­rn, um es zu italienisc­hem zu machen. Das ist für mich eine Irreführun­g der Verbrauche­r.“Im Übrigen sollte nicht nur die Herkunft, sondern auch Tierhaltun­gsstandard­s nachvollzi­ehbar sein.

10 Wird’s darüber hinaus strengere Regeln in Österreich geben?

ANTWORT: Die letzte türkisblau­e Regierung kündigte mehrmals an, dass vor allem in der Außer-Haus-Verköstigu­ng wie Betriebska­ntinen, Krankenhäu­sern, Schulen exaktere Herkunftsa­ngaben kommen würden (55 Prozent des Fleisches werden außer Haus verzehrt). Durch das Platzen der Koalition liegt dies derzeit auf Eis. Ein erster ausgearbei­teter Vorschlag wurde laut Insidern von den Behörden als zu komplizier­t und nicht umsetzbar zurückgewi­esen.

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