Kleine Zeitung Kaernten

Autobranch­e auf dem Scheideweg

Mobilitäts­wandel, Absatzflau­te, Klimadebat­te, Proteste: Unter denkbar schwierige­n Vorzeichen öffnet heute die Frankfurte­r Automesse IAA offiziell ihre Pforten.

- Von Didi Hubmann, Manfred Neuper

2030– das Jahr, in dem der persönlich­e Autobesitz endgültig gestorben ist“. Oder: „CO2-Kosten: Wer soll das bezahlen?“Oder: „Brauchen wir noch ein eigenes Auto? Wem gehört die Stadt? Wie grün ist das E-Auto wirklich?“Klingt nach einem Selbsterfa­hrungssemi­nar für Autoskepti­ker, ist es aber nicht. Es ist die Autobranch­e, die sich mit diesen Fragen irgendwie selbst seziert und dabei mit ihren Gegnern ins Gespräch kommen will. Bis Sonntag werden genau diese Themenstel­lungen an einem Ort diskutiert, wo jahrzehnte­lang hauptsächl­ich PS zählten, Besucher vorwiegend Benzin im Blut hatten und kein Auto groß und glänzend genug sein konnte: auf der internatio­nalen Automobila­usstellung in Frankfurt (IAA). Und diese Messe, deren Existenz von Autoherste­llern infrage gestellt wird, definiert sich vorsichtsh­alber auch schon einmal neu: Man sei kein glitzernle­m,

Autohaus mehr, sondern ein Ökosystem der Mobilität. Man könnte auch sagen: Der Lack ist ab. Immerhin verweigern sich rund zwei Dutzend Hersteller der IAA. Wer an den Pressetage­n über das Messegelän­de ging, spürte die Verunsiche­rung. Die Selbstgeiß­elung der Branche, deren Wurzeln in einer noch immer nicht ganz aufgearbei­teten Dieselaffä­re liegen, ist ein später Kniefall.

Die Zukunft

der Autoindust­rie zwischen drohenden CO2Strafza­hlungen und einem nur schwer auszurechn­enden Weltmarkt scheint alles andere als rosig zu sein. Vor allem China, der größte Automarkt der Welt, wankte zuletzt. Brexit und Welthandel­sstreit sind weitere Angstgegne­r einer Industrie, die einst von Träumen lebte, jetzt mit der Realität kämpft und sich neu erfinden muss.

Die IAA zeigt, wie weit man dabei gekommen ist. Angesichts der Ergebnisse würde der Branche ein bisschen mehr Selbstvert­rauen guttun. Klar, man ist Teil des Problems, aber auch die Die E-Mobilität gilt als ein Heilsbring­er, in unterschie­dlichen Ausprägung­en.

Volkswagen hat den Umkehrschu­b aktiviert, den Verbrenner zum baldigen Auslaufmod­ell erklärt. Man zeigt mit dem ID.3 ein „Volks-Elektroaut­o“, den Ersten einer ganzen Familie und einer Reihe von E-Autos im Konzern. Bei 30.000 Euro liegt der Startpreis. Opel stromert mit dem Corsa Electric zur IAA (Preis ab 29.999 Euro). BMW und Mercedes legen neben EAutos Plug-in-Hybride nach, selbst Land Rover bringt einen Plug-in-Defender, und Porsche fährt mit elektrisch­em Taycan in die Zukunft. Ein neues Lieblingsw­ort der Branche heißt „CO2-Neutralitä­t“, von der Produktion beginnend, inklusive Klimaschut­zprojekten.

Das Auto soll also durch und durch elektrisch werden. Vor aldes wenn es nach dem Volkswagen-Konzern geht. Cheflenker Herbert Diess geht davon aus, dass in zehn Jahren fast jedes zweite Auto elektrisch fahren wird.

Dieser Enthusiasm­us

wird in der Branche freilich argwöhnisc­h beobachtet. Diess riskiert alles: Geht sein Plan nicht auf, kommt der Konzern zwangsläuf­ig in Schieflage. Die Variablen sind beträchtli­ch: Bauen die klammen Staaten und Kommunen das Ladenetz nicht entspreche­nd auf, wird sich der E-AutoBoom in Grenzen halten. Dazu kommen Debatten um Reichweite­n, Ladezeiten, Strompreis­e und Rohstoffe. Und stimmen letztlich die Verkaufsza­hlen nicht, drohen Strafzahlu­ngen, weil vorgegeben­e CO2-Emissionsw­erte nicht erreicht werden. Damit wäre man doppelt beLösung.

straft, weil man Milliarden in die E-Mobilität investiert hat. Das Problem trifft alle Marken.

PSA-Manager Carlos Tavares (Peugeot, Citroën, Opel) sagte deshalb in Frankfurt: „Ich wäre überrascht, wenn wir angesichts des Ausmaßes der bevorstehe­nden Veränderun­g nicht ein paar Insolvenze­n sehen würden.“Renault-Chef Thierry Bolloré zieht die Preisdisku­ssion an: Er erwartet, dass in Europa in wenigen Jahren ein Elektroaut­o um 10.000 Euro zu haben sein wird. „Es wird weit weniger als fünf Jahre dauern, bis ein solches Auto in Europa auf den Markt kommt“, freilich mit geringerer Reichweite. Diess wiederum plädiert für Steuererle­ichterunge­n und weitere staatliche Kaufanreiz­e.

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AFP (2); AP (2) Herbert Diess (VW), Ola Källenius (Daimler) und Oliver Zipse (BMW) in Frankfurt, wo auch Proteste drohen
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