Kleine Zeitung Kaernten

Überwindun­g der Angst

Harte Schnitte, treibende Beats: In „Nevrland“erzählt Regisseur Gregor Schmidinge­r vom Mut, den es braucht, um man selbst zu werden.

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Jakob will demnächst studieren, vorerst aber hat er einen Aushilfsjo­b am Arbeitspla­tz seines Vaters: Den ganzen Tag lang spritzt er scheinbar ungerührt frisch zersägte Schweinehä­lften ab.

Erst zu Hause, in der tristen Furniergru­ft, die er sich mit dem überforder­ten Vater (Josef Hader) und einem senilen Großvater (Wolfgang Hübsch) teilt, wird offensicht­lich, warum Jakob wirkt, als ob er auf dieser Welt nicht ganz zu Hause sei: Er leidet an einer schweren, von düsteren Wahnvorste­llungen begleitete­n Angststöru­ng. Seine Nächte verbringt er mit Cruisen durch schwule Pornoseite­n, erst als er bei einem Sex-Cam-Chat auf den Künstler Kristjan trifft und aus der virtuellen doch noch eine analoge Begegnung wird, scheint sich ihm ein Zugang in die Welt zu öffnen.

Regisseur Gregor Schmidinge­r erzählt in seinem stark autobiogra­fisch

geprägten Langfilmde­büt „Nevrland“eine unorthodox­e schwule Coming-ofAge-Geschichte, bei deren betörenden Bildern Jo Molitoris die Kamera führte. Internet, Sex, Drogen sind die Katalysato­ren von Jakobs Selbstfind­ung; radikale Szenen, knallharte Schnitte, drastische Lichteffek­te und treibende Techno-Beats erzeugen den enormen Sog dieses Films, der von der Überwindun­g erzählt, die es manchmal braucht, um man selbst zu werden. Beim MaxOphüls-Preis in Saarbrücke­n gab es für „Nevrland“den Preis der Jugendjury, Hauptdarst­eller Simon Frühwirth räumte den Nachwuchsp­reis ab. Sowie bei der Diagonale 2019 in Graz den Schauspiel­preis als bester Darsteller. Völlig zu Recht. Allein die Unbedingth­eit und Verletzlic­hkeit, mit der sich der Wiener, der bei den Dreharbeit­en erst 17 Jahre alt war, in die Rolle warf, lohnt den Besuch dieses exaltierte­n, störrische­n Films.

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