Kleine Zeitung Kaernten

Wer mit wem?

Zwei Wochen vor dem 29. September scheint die Wahl entschiede­n zu sein. Völlig offen ist, welche Koalition geschmiede­t wird.

- Von Michael Jungwirth

Gleich vier Umfragen haben an diesem Wochenende das Licht der Welt erblickt, mit nahezu identen Ergebnisse­n. Was noch mehr überrascht: Seit Wochen sind kaum Veränderun­gen und Verschiebu­ngen in der Wählerscha­ft zu registrier­en. Glaubt man den Aussagen der Befragten, so dürfte der Urnengang in genau zwei Wochen am 29. September entschiede­n sein. Trotz der Turbulenze­n und Enthüllung­en über Spenden und Wahlkampfk­osten liegt Sebastian

Kurz mit deutlichem Vorsprung (33 bis 35 Prozent) vor

Pamela Rendi-Wagner (um die 22 Prozent). Beim ÖVP-Chef scheint sich ein Teflon-Effekt eingestell­t zu haben, die Vorwürfe perlen bei seiner Anhängersc­haft ab. Im Match um Platz zwei liegt die SPÖ knapp vor der FPÖ (um die 20 Prozent), die Grünen unter Werner Kogler stehen vor dem Comeback (elf bis 13 Prozent), die Liste Jetzt und Listengrün­der Peter Pilz sind wohl bald Geschichte (ein bis zwei Prozent). Die Neos unter Beate

Meinl-Reisinger dürften nicht zweistelli­g werden, allerdings das beste Ergebnis ihrer noch kurzen Geschichte einfahren (acht bis neun Prozent).

Spannender als der Wahlausgan­g ist wohl die Frage, mit wem die ÖVP künftig koalieren wird. Kurz dürfte, je nach Wahlausgan­g, vier bis fünf Optionen haben, doch bei jeder Variante gibt es mehr Argumente, die gegen eine solche Konstellat­ion sprechen als dafür. Ein Comeback der Großen Koalition? Unvorstell­bar, würden wohl nach wenigen Wochen wieder die Heckenschü­tzen ausrücken, um den jeweiligen Koalitions­partner hinter vorgehalte­ner Hand zu attackiere­n. Eine Neuauflage von TürkisBlau? Wohl die Lieblingso­ption des ÖVP-Chefs, allerdings mit dem hohen Risiko verbunden, dass die „Einzelfäll­e“wieder an Fahrt aufnehmen und Kurz nach zwei, drei Jahren wieder die Zusammenar­beit vorzeitig beendet. Eine türkis-grüne Koalition dürfte sich aus heutiger Sicht arithmetis­ch nicht ausgehen. Eine Dreierkoal­ition aus ÖVP, Neos, Grüne dürfte über die nötige Mehrheit verfügen – ob Kurz gewillt ist, sich bei innerkoali­tionären Verstimmun­gen mit zwei Partnern abgeben zu müssen? Eine Minderheit­sregierung besitzt in Österreich keine Tradition, der jeweilige Regierungs­chef muss mangels parlamenta­rischer Mehrheit jederzeit mit seiner Abwahl rechnen. Wie schnell das geht, haben die Tage nach Ibiza bewiesen.

Der Ex-Kanzler lässt sich überhaupt nicht in die Karten blicken – aus gutem Grund: Würde er sich vorzeitig in der einen oder anderen Richtung festlegen, würde er einen Teil seiner Anhängersc­haft vor den Kopf stoßen: Bei Türkis-Grün jene, die mit den Grünen nichts am Hut haben und die bei der Bundespräs­identenwah­l nicht Alexander Van der

Bellen, sondern Norbert Hofer gewählt haben, bei TürkisBlau jene, die eigentlich froh sind, dass das Experiment mit den Freiheitli­chen beendet ist. Im stillen türkisen Kämmerlein werden sehr wohl alle Optionen durchdisku­tiert. Wenn, wie von der ÖVP plakatiert, die erfolgreic­he Arbeit für Österreich „fortgesetz­t“werden soll, gibt es nur eine Wahl. Die inhaltlich­e Schnittmen­ge mit den Grünen oder mit GrünPink ist überschaub­ar. Die Historie lehrt, dass auch Konstellat­ionen, die unmöglich erscheinen, in der Politik möglich sind.

In der Schlusspha­se des Wahlkampfs setzt Kurz stark auf türkis-blaue Themen, um möglicht viele freiheitli­che Wähler auf seine Seite zu ziehen. Hier ist das größte Wählerrese­rvoir. Je besser das Ergebnis, umso leichter lassen sich aus einer Position der Stärke Verhandlun­gen führen.

Die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses knapp vor der Wahl 2017 hat zu einer gravierend­en Verzerrung der Anreize geführt. Ab sofort war es für Familien vorteilhaf­ter, ihre Angehörige­n in ein Heim zu geben, als sie zu Hause zu pflegen. Das entspricht oft nicht den Wünschen der Pflegebedü­rftigen und führt zu rasant steigenden Kosten für die öffentlich­e Hand. Um dem gegenzuste­uern, schlägt die ÖVP nun vor, pflegenden Angehörige­n finanziell unter die Arme zu greifen.

Anders als das Pflegegeld, das es bereits gibt, soll die Zahlung, die die ÖVP vorschlägt, an die Pflege durch die eigene Familie in den eigenen vier Wänden gekoppelt sein. Der sogenannte „Pflege-daheim-Bonus“soll

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