Wer mit wem?
Zwei Wochen vor dem 29. September scheint die Wahl entschieden zu sein. Völlig offen ist, welche Koalition geschmiedet wird.
Gleich vier Umfragen haben an diesem Wochenende das Licht der Welt erblickt, mit nahezu identen Ergebnissen. Was noch mehr überrascht: Seit Wochen sind kaum Veränderungen und Verschiebungen in der Wählerschaft zu registrieren. Glaubt man den Aussagen der Befragten, so dürfte der Urnengang in genau zwei Wochen am 29. September entschieden sein. Trotz der Turbulenzen und Enthüllungen über Spenden und Wahlkampfkosten liegt Sebastian
Kurz mit deutlichem Vorsprung (33 bis 35 Prozent) vor
Pamela Rendi-Wagner (um die 22 Prozent). Beim ÖVP-Chef scheint sich ein Teflon-Effekt eingestellt zu haben, die Vorwürfe perlen bei seiner Anhängerschaft ab. Im Match um Platz zwei liegt die SPÖ knapp vor der FPÖ (um die 20 Prozent), die Grünen unter Werner Kogler stehen vor dem Comeback (elf bis 13 Prozent), die Liste Jetzt und Listengründer Peter Pilz sind wohl bald Geschichte (ein bis zwei Prozent). Die Neos unter Beate
Meinl-Reisinger dürften nicht zweistellig werden, allerdings das beste Ergebnis ihrer noch kurzen Geschichte einfahren (acht bis neun Prozent).
Spannender als der Wahlausgang ist wohl die Frage, mit wem die ÖVP künftig koalieren wird. Kurz dürfte, je nach Wahlausgang, vier bis fünf Optionen haben, doch bei jeder Variante gibt es mehr Argumente, die gegen eine solche Konstellation sprechen als dafür. Ein Comeback der Großen Koalition? Unvorstellbar, würden wohl nach wenigen Wochen wieder die Heckenschützen ausrücken, um den jeweiligen Koalitionspartner hinter vorgehaltener Hand zu attackieren. Eine Neuauflage von TürkisBlau? Wohl die Lieblingsoption des ÖVP-Chefs, allerdings mit dem hohen Risiko verbunden, dass die „Einzelfälle“wieder an Fahrt aufnehmen und Kurz nach zwei, drei Jahren wieder die Zusammenarbeit vorzeitig beendet. Eine türkis-grüne Koalition dürfte sich aus heutiger Sicht arithmetisch nicht ausgehen. Eine Dreierkoalition aus ÖVP, Neos, Grüne dürfte über die nötige Mehrheit verfügen – ob Kurz gewillt ist, sich bei innerkoalitionären Verstimmungen mit zwei Partnern abgeben zu müssen? Eine Minderheitsregierung besitzt in Österreich keine Tradition, der jeweilige Regierungschef muss mangels parlamentarischer Mehrheit jederzeit mit seiner Abwahl rechnen. Wie schnell das geht, haben die Tage nach Ibiza bewiesen.
Der Ex-Kanzler lässt sich überhaupt nicht in die Karten blicken – aus gutem Grund: Würde er sich vorzeitig in der einen oder anderen Richtung festlegen, würde er einen Teil seiner Anhängerschaft vor den Kopf stoßen: Bei Türkis-Grün jene, die mit den Grünen nichts am Hut haben und die bei der Bundespräsidentenwahl nicht Alexander Van der
Bellen, sondern Norbert Hofer gewählt haben, bei TürkisBlau jene, die eigentlich froh sind, dass das Experiment mit den Freiheitlichen beendet ist. Im stillen türkisen Kämmerlein werden sehr wohl alle Optionen durchdiskutiert. Wenn, wie von der ÖVP plakatiert, die erfolgreiche Arbeit für Österreich „fortgesetzt“werden soll, gibt es nur eine Wahl. Die inhaltliche Schnittmenge mit den Grünen oder mit GrünPink ist überschaubar. Die Historie lehrt, dass auch Konstellationen, die unmöglich erscheinen, in der Politik möglich sind.
In der Schlussphase des Wahlkampfs setzt Kurz stark auf türkis-blaue Themen, um möglicht viele freiheitliche Wähler auf seine Seite zu ziehen. Hier ist das größte Wählerreservoir. Je besser das Ergebnis, umso leichter lassen sich aus einer Position der Stärke Verhandlungen führen.
Die Abschaffung des Pflegeregresses knapp vor der Wahl 2017 hat zu einer gravierenden Verzerrung der Anreize geführt. Ab sofort war es für Familien vorteilhafter, ihre Angehörigen in ein Heim zu geben, als sie zu Hause zu pflegen. Das entspricht oft nicht den Wünschen der Pflegebedürftigen und führt zu rasant steigenden Kosten für die öffentliche Hand. Um dem gegenzusteuern, schlägt die ÖVP nun vor, pflegenden Angehörigen finanziell unter die Arme zu greifen.
Anders als das Pflegegeld, das es bereits gibt, soll die Zahlung, die die ÖVP vorschlägt, an die Pflege durch die eigene Familie in den eigenen vier Wänden gekoppelt sein. Der sogenannte „Pflege-daheim-Bonus“soll