Kleine Zeitung Kaernten

Das Unheil und die Geistesgrö­ßen

Wie Intellektu­elle in Österreich zwischen den Weltkriege­n ahnungsvol­l handelten.

- Ingo Hasewend

Was habt ihr getan, um Hitler und damit die größte Katastroph­e des 20. Jahrhunder­ts zu verhindern? Dies ist eine Frage, die seit Jahrzehnte­n in zahlreiche­n Wohnzimmer­n in Österreich und Deutschlan­d den Altvordere­n gestellt wurde. Die Antworten waren (oder sind) einmal mehr, einmal weniger ergiebig. Der Journalist und Schriftste­ller Herbert Lackner zitiert deshalb zum Geleit seines neuen Buches einen Satz aus einer Rede von Michael Köhlmeier, die der Schriftste­ller im Vorjahr in der Wiener Hofburg zum Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus hielt: „Zum Bösen kamen die Menschen nie mit einem großen Schritt, sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für die große Empörung.“

Es ist auch der Leitfaden für die vielen Erzählunge­n über „Europas Dichter und Denker zwischen den Kriegen – am Vorabend von Faschismus und NS-Barbarei“, wie es prägnant im Untertitel von Lackners zweitem Werk über die Geistesgrö­ßen dieser Epoche heißt. Die Fortschrei­bung seines Buches „Die Flucht der Dichter und Denker“ist also eine historisch­e Vorreihung. Der Autor begleitet auch diesmal vornehmlic­h österreich­ische Künstler und Intellektu­elle und beschreibt an ihnen, was zur großen Katastroph­e führte. Es habe ein Gefühl von Nichtwahrh­abenwollen gegeben, denn die Zeichen verstand man wohl, ahnte auch, dass sich etwas Unheilvoll­es zusammenbr­aute, konstatier­t Lackner. Doch trotz ihres außerorden­tlichen Talents und ihres Ansehens konnten sie beim Publikum nichts bewirken. „Alle Genannten haben es auf ihre Weise und oft sehr mutig versucht und sind dabei gescheiter­t.“Lackner erzählt dabei fein und unterhalts­am, gibt dem Düsteren dieser Zeit dennoch genug Raum, sich zu entfalten. Fleißig bringt der Autor die Intellektu­ellen häufig selbst zu Wort aus einer beachtlich­en Zahl an Originalqu­ellen. Zugleich ist Lackners Buch ein beachtlich­es Dokument dafür, dass man die Nazis in Österreich lange Zeit nicht richtig ernst genommen hat.

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Herbert Lackner. Als die Nacht sich senkte – Europas Dichter und Denker zwischen den Kriegen und am Vorabend von Faschismus und NS-Barbarei. Ueberreute­r, 224 S., 22,95 Euro.

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